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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Peter Ransley
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Prolog
    Eines düsteren Abends im September des Jahres 1625 lenkte Matthew Neave den Karren mit den Toten, die er eingesammelt hatte, zum Ufer des Flusses Cherwell. Sieben Leichen: Viel würde man ihm nicht dafür zahlen.
    Während die Pferde tranken, aß er das, was er an Brot und Käse noch übrig hatte. Das Brot war hart und trocken. Er weichte es mit etwas Bier aus seiner Flasche auf und wartete darauf, dass das Licht verschwand. Ehe es nicht dunkel war, näherte er sich niemals der Pestgrube.
    Im Frühsommer, als die Pest in Oxford ausgebrochen war, hatten die Verwandten der Toten auf der Lauer gelegen, um den Karren abzufangen. Die Angst vor der Seuche wurde von der Furcht vor der Hölle besiegt, in der ihre Liebsten, und später sie selbst, würden leiden müssen, wenn sie kein christliches Begräbnis auf geweihtem Boden erhielten. Bei einem Kampf war Matthew niedergestochen und beinahe in die Grube geworfen worden, ehe die Wache gekommen war.
    Doch als die Menschen starben oder flohen und der unbarmherzig heiße Sommer die Übriggebliebenen in dumpfer Apathie zurückließ, blieben solche Übergriffe aus. Gleichwohl setzte Matthew seine Flasche ab, als er das Geräusch eines galoppierenden Pferdes hörte. Unbemerkt tropfte Bier auf seine fleckige Barchentjacke, während er über die Christ Church Meadow starrte.
    Wegen der Bäume konnte er den Reiter zunächst nicht ausmachen, aber das Tier war ein rotbrauner Wallach, das Pferd eines Edelmanns. Das Pferd trat aus den Bäumen hervor. Der Reiter war in Schwarz gekleidet. Er war maskiert, obwohl es kein heißer Tag gewesen war. Vielleicht enthielt die Maske einen kleinen Strauß aus Kräutern, die den Träger vor der Seuche schützen sollten. Aber Matthew wollte kein Risiko eingehen.
    Er nahm das Messer, mit dem er den Käse geschnitten hatte, und zog sich zum Karren zurück. Der Gestank der verrottenden Leiber bot einen besseren Schutz als jede Waffe.
    Wenige Meter vor ihm zügelte der Mann sein Pferd.
    »Matthew Neave?«
    Matthews Arbeit machte ihn zu einem Ausgestoßenen. Außer mit Susannah, die mit ihm lebte und deren religiöse Visionen ihr sagten, dass sie niemals an der Pest erkranken würde, sprach er – von den Toten einmal abgesehen – nur mit wenigen Menschen.
    »Wer will das wissen?«
    Der Mann nahm die Maske ab, hielt sich jedoch die Kräuter darin weiter vors Gesicht. Matthew ließ das Messer fallen und riss seinen Hut herunter, die Worte erstarben ihm in der trockenen Kehle. Das war kein Herr von hoher Geburt. Das Pferd war aus einem besseren Stall als der Mann, der es ritt. Aber für Matthew war Mr Eaton von weit größerer Bedeutung als jeder Edelmann.
    Mr Eaton war der Verwalter von Lord Stonehouse. Als Findelkind hatte er es aus eigener Kraft zu etwas Grundbesitz gebracht, Feld um Feld zusammengekauft. Das mühsame Ringen hatte tiefe Furchen in seinem Gesicht hinterlassen. Am eindrucksvollsten war eine schartige Narbe, die sich von der rechten Wange bis zum Hals zog.
    »Es gibt ein totes Kind in Horseborne. Bennets Farm.«
    Mehrere Meilen entfernt, auf der anderen Seite des Shotover Hill, am Rand von Lord Stonehouse’ Familienbesitz.
    »Ein Pestkind, Sir?«
    »Ja.«
    Matthew wusste, dass das nicht stimmte, wusste, dass das Probleme gab. Er war an der Pest erkrankt, als er sechs war. Die quälenden schwarzen Beulen unter seinen Armen waren aufgeplatzt, aber er hatte überlebt. Den Rest seiner Familie hatte man auf den Karren geworfen und ihn allein im Haus eingesperrt.
    Die Pestordnung, die ohne Zweifel die Ansicht der meisten Menschen widerspiegelte, dass es sich bei der Krankheit um eine Strafe Gottes handele, schrieb vor, überlebende Opfer für vierzig Tage und vierzig Nächte unter Quarantäne zu stellen. Mehr als einen Monat lang war Matthew eingesperrt gewesen, am Leben erhalten allein durch die dicke Suppe und das dünne Bier, das der einzige Nachbar, der sich in seine Nähe wagte, ihm durch das Fenster reichte.
    Da die wenigen Überlebenden der Pest nie wieder daran erkrankten, versorgte ihn die Krankheit, die Matthew beinahe getötet hatte, jetzt mit Brot und, in einem Pestjahr wie diesem, sogar mit Fleisch. Manche Menschen hielten Matthew für einen Hellseher und Heilkundigen, denn es hieß, er könne vorhersagen, wer an der Krankheit stürbe und wer überlebe. Vielleicht wahrte der Verwalter jetzt nicht nur wegen der Leichen Abstand, sondern auch, weil er diese Geschichten ebenfalls gehört hatte.
    Matthew kratzte sich am
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