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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition)
Autoren: J.M. Soedher
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ernst.«
    »Dann sind wir ja einer Meinung.«
    Er setzte Lara Saiter am Rotkreuzplatz ab, wo sie noch einige Besorgungen erledigen wollte. Er selbst fuhr direkt ins Amt zurück, wo ihn ein verwaister, stiller Bürogang erwartete. Er lagerte die Listen und Fotos, den Brief und die Postkarte – alles was sie mitgenommen hatten – in seinem Rollschrank. Das Zeug hatte nichts zu Hause bei ihm zu suchen, denn dann würde vom restlichen Wochenende nichts bleiben. Der Sonntag sollte nur Miriam gehören und sonst niemandem.
    Eine Kopie des Ansichtskartentextes steckte er allerdings ein.
    Über das Wochenende hinweg befielen ihn immer wieder romantische Vorstellungen, Bilder und Gefühle, die in Zusammenhang mit dem Pilgern standen. Von München bis nach Santiago de Compostela wandern, unterwegs sein? Das führte einen ja mitten durch Frankreich – und vor allem diese Vorstellung erzeugte berührende Momente in ihm. Losgelöst zu sein von allen Dingen, auf einsamen französischen Landstraßen dahin gehen, vorbei an Sonnenblumenfeldern und stillen Bauernhöfen, von wo böses Hundegebell drang, dazu das Geschnatter und Gackern von Enten, Hühnern, Gänsen, Perlhühnern – ab und an ein klappriger Citroën, der einem entgegenkam. Dazu die alten Städte mit ihren fiebrigen bunten Märkten. Er konnte die Sehnsucht nach einer solchen Reise fühlen, von der man nicht erholt, sondern als ein anderer Mensch zurück kehren wollte. Läuterung.
    Es war allerdings ein Weg, den man nur alleine gehen konnte. Er entschloss sich zum Genuss und vollzog seine Frankreichreise über die freien Tage hinweg auf andere Weise. Zu dem herrlichen Sommerhimmel gehörten Musik, gutes Essen und Wein. Er pilgerte in den Keller und startete in der Champagne, es kam später ein gekühlter Weißer aus Sancerre dazu, ein alter Potensac aus dem Médoc begleitete am Abend ein zartes Lammfilet, bevor der Sonntagabend mit Ziegenkäse und einem fetten Gigondas beschlossen wurde.
    *
    Der folgende Montagmorgen fühlte sich gut an. Ein blauer Himmel lag über dem fruchtbaren Land zwischen Lech und Ammersee. Drunten an der Lechschleife schwärzte ein noch tiefer Schatten das Wasser, doch in den Baumwipfeln reflektierten bereits die ersten Sonnenstrahlen. Mit Beginn der Morgendämmerung war ein aufgeregtes Vogelkonzert entstanden, das fürs Erste endete, als die Sonne den rosa Schleier hinter sich gelassen hatte und gleißend hell am Himmel stand. Die Kühle aus den Senken und die leuchtende Glut am Himmel erzeugten jene lebensfreundliche Stimmung, wie sie nur ein solcher Sommermorgen vermitteln konnte.
    Miriam hatte Bucher an der S-Bahn in Herrsching abgesetzt und war dann weiter in die Redaktion gefahren. Er hockte am Fenster, sah hinaus, in die vorbeifliegende Landschaft, an der er jeden Hügel, jedes Haus, jeden Baum kannte, und lauschte den verstummten Klängen nach, die ihn das Wochenende über begleitet hatten – die sanften Töne, die Vladimir Horowitz dem Piano entlocken konnte. Gab es einen anderen Pianisten, der mit solch entschiedener Zärtlichkeit die Tasten bewegen konnte? Ihm fiel keiner ein. Diese uralte Scheibe Horowitz at Home war fast den ganzen Sonntag gelaufen, bis Miriam eingeschritten war, die CD weggenommen hatte und Neil Young laufen ließ. Auch gut. Der schwingende Beat von Ramada Inn stieß ihn an, fegte alle trüben Gedanken hinweg und hatte ihn wippend durchs Haus ziehen lassen: and every morning comes the sun … she loves him so … he does what he needs to …
    Das war nun Vergangenheit und er lauschte der Diskussion zweier jungen Typen über die Deltas von Messung und Schätzung. Es waren wohl Ingenieure.
    Als Pasing hinter ihnen lag und der Blick auf den Nordwesten der Stadt frei wurde, lag ein farbiger Schimmer auf der Westseite des Olympiaturms. Hier in der staubigen Luft der Stadt erzeugte der Schein der Sonne immer noch warme Farben. Auf allen Kirchtürmen und Dächern schillerte es und weit hinter den Glasfassaden des Arnulfparks stand ein grelles Orange in hartem Kontrast zum tiefen Blau im Zentrum des Firmaments, an dem der Glanz der letzten Sterne verging.
    Der Fall Anne Blohm hatte ihn übers Wochenende nicht in dem Maße beschäftigt, wie er es zuvor erwartet hatte. Ein paar Mal hatten sich Fragen in die Entspanntheit gedrängt; am Samstagabend, als er in der Küche werkelte und die Erdbeeren wusch, die sein Nachbar Engelbert vorbeigebracht hatte, da waren ihm Szenen aus dem Blohm’schen Wohnzimmer präsent
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