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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition)
Autoren: J.M. Soedher
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der Liste hatte. »Hat Ihre Tochter in der Vergangenheit einmal unter Erschöpfungszuständen gelitten, unter Depressionen vielleicht … nahm sie regelmäßig Medikamente … ich meine hier vor allem Psychopharmaka?«
    Frau Blohms richtete sich abrupt auf und sah Lara Saiter aufgebracht an. »Aber nein, wie kommen Sie auf so etwas? Natürlich nicht!«
    Lara Saiter ließ nicht locker. »Sind Sie sich da sicher, Frau Blohm? Diese Frage müssen wir stellen.«
    Herr Blohm antwortete: »Ist schon recht, ist schon recht. Aber es gab da wirklich nichts, überhaupt nicht. Nach dem Tod unseres Sohns ging es uns allen nicht gut. Aber Depressionen … Sie meinen doch damit, ob sie vielleicht selbstmordgefährdet war, nicht wahr? Also nein. Überhaupt nicht, wirklich nicht.«
    Es klang glaubhaft. Sie zählte nun mit ruhiger Stimme auf, was sie benötigten: Fotografien der Tochter, alle persönlichen Daten, eine Liste ihrer Freunde, der Arbeitskollegen. Sie hielt kurz inne, als ihr bei der Frage nach einer Beziehung die Vergangenheitsform auf den Lippen gelegen hatte. Nun fragte sie: »… ja, und noch etwas: Lebt Ihre Tochter in einer Beziehung?«
    Das lebte blieb stumm.
    Frau Blohm antwortete: »Nein, nicht mehr. Sie hat sich vor einiger Zeit von ihrem Freund getrennt, was wir sehr bedauert haben.«
    »Fiel das in etwa in den Zeitraum, als sie ihre Anstellung aufgab?«, wollte Bucher wissen.
    »Nein. Das ist nun schon einige Monate her und hat damit nichts zu tun.«
    Bucher nahm die Antwort zur Kenntnis und war irritiert, wie sicher Frau Blohm geklungen hatte, so als ob ihr alle Beweggründe im Leben ihrer Tochter vertraut wären.
    Lara Saiter ließ keine Pause mehr entstehen: »Wir benötigen nähere Angaben über den Exfreund, und noch etwas: Wovon hat sie gesprochen, als sie zuletzt miteinander telefonierten, bitte versuchen Sie sich an die Details dieses Gesprächs zu erinnern. Es muss nicht jetzt sofort sein. Nur – falls Ihnen etwas einfallen sollte in den nächsten Tagen, dann notieren Sie sich das bitte.«
    Frau Blohm sah fragend zu ihrem Mann. Waren ihm Details des letzten Telefonats präsent? Er regte sich nicht.
    Die sachlichen Fragen und das stumme Verfassen der Notizen hatte eine weniger emotionale Atmosphäre entstehen lassen. Herr Blohm erzählte mit einem Mal in teilnahmsloser Weise: »Es war ein kurzes Gespräch gewesen. Das weiß ich noch. Sie war in Lindau angekommen, wo sie bei einer Freundin übernachten wollte. Die beiden kannten sich vom Studium her. Sie wollte von dort weiter in die Schweiz. Zu Fuß am Bodensee entlang nach Bregenz und weiter über St. Margrethen und Rorschach. Darüber haben wir geredet … über die Route. Sie hatte dann vor, ein Stück mit dem Zug zu fahren. Deswegen passt das ja auch gar nicht, das passt nicht mit der Karte zusammen, verstehen sie?«
    Lara Saiter sah ihn fragend an. Sie verstand nicht, was nicht passen sollte. Von welcher Karte sprach er?
    Er stand mühevoll auf und sprach weiter: »Es ist da noch etwas, was wir Ihnen noch nicht gesagt haben. Wir verstehen das nicht.«
    Bucher drehte sich um und verfolgte, wie er etwas aus einer Schublade des Sideboards holte. Eine Ansichtskarte. Blohm trug sie mit beiden Händen zum Tisch. Er berührte sie so vorsichtig, als handelte es sich um ein Schälchen aus chinesischem Eierschalenkristall und legte sie vor Bucher hin. »Vor einigen Tagen hat uns diese Postkarte von Anne erreicht.«
    Bucher vermied den Blickkontakt mit Lara Saiter. Er musste sich zusammenreißen. Da saßen sie hier, stellten Frage um Frage und dann tauchte plötzlich eine Ansichtskarte auf – von der Vermissten. Aus Frankreich! Seine Anspannung fiel in sich zusammen. Gerade noch hatte er Fragen notiert, die er stellen wollte. Viele Fragen. Im Geiste hatte er Aufträge für Batthuber und Hartmann formuliert, eine Vorstellung von dem entwickelt, was er und was Lara Saiter als Nächstes tun würden – und nun kamen sie mit einer Ansichtskarte der Tochter daher. Er war aufgebracht. Dafür war ein Sommersamstag zerschlagen worden. Er hätte im frischen Gras liegen können, oder sonst was. Hartmann hatte recht gehabt. Nur aus Höflichkeit nahm er die Karte zur Hand und betrachtete das Motiv. Er brauchte nicht auf der Rückseite nachzusehen, welches Motiv da abgebildet war – es war die Loire, breit und ruhig, wie sie an Orléans vorbeifloss. Die alte Brücke war zu sehen und hinter mittelalterlichen Häuserfluchten ragten die zwei markanten, eckigen
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