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Mari reitet wie der Wind

Mari reitet wie der Wind

Titel: Mari reitet wie der Wind
Autoren: Federica de Cesco
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sie durfte nicht traurig sein. Etwas Besseres konnte sie sich für Paloma nicht wünschen. Mari riss ein Stück Brot nach dem anderen ab, wischte die Sauce von ihrem Teller, bis er spiegelblank war. Als sie den Kopf hob, begegnete sie Lukas’ Blick. Mit der Zigarette im Mundwinkel sprach er sie an. »Hättest du Lust, im Zirkus zu bleiben? Mit uns zu reisen?« Sein Ausdruck war unergründlich. Mari fuhr mit der Zunge über die fettigen Lippen. Lola saß neben ihr, stumm und steif. Lukas’ Augen richteten sich auf sie. »Schwester, deine Tochter kann gut mit Tieren umgehen. Ich würde gern eine Nummer mit ihr einstudieren.« Lolas blasse Lippen bewegten sich. »Und die Schule?« »Wir haben ein Dutzend Kinder im Zirkus. Und eine Lehrerin, die ihnen Stunden gibt. Sie hält sich an den normalen Unterrichtsplan. Das ist Vorschrift. Und wir sind nur sechs Monate im Jahr auf Tournee.«
    Lolas empfindsame Lider zuckten. Auf ihrem leicht geröteten Gesicht zeigten sich widersprüchliche Gefühle. Mari hielt den Atem an. Doch bevor Lola eine Antwort gab, lächelte Fanny sie an. Ihre Finger umschlossen Lolas abgemagerte Hand fest. »Wir möchten auch dich bei uns haben, Schwester. Artisten spielen mit ihrer Gesundheit. Wir brauchen dich.« Lola schwieg immer noch. Lukas rauchte, mit ernstem Gesicht. »Hör mir gut zu, Lola. Ärzte haben Studienzeugnisse oder Diplome, aber sie sind nicht immer erfolgreich. Du kennst die Heilkunst der Großmütter. Dieses Wissen darf nicht auf dem Müllberg verrauchen! Ich weiß wohl, die Entscheidung ist schwer für dich. Aber hier im Zirkus wirst du ein Gehalt bekommen. Und deine Tochter auch, sobald ihre Nummer im Programm ist.« Endlich hob Lola die Augen. Ihr Blick glitt von Fanny zu Lukas, richtete sich dann auf Mari. Ein schwaches, aber glückliches Lächeln erhellte ihr müdes Gesicht. »Nun, Mari? Warum sagst du nichts? Jetzt ist es so weit: Wir gehen auf die Reise, wie früher die Großeltern!« Mari bewegte nur stumm die Lippen. Freude und Aufregung raubten ihr die Sprache. Ihre Wangen glühten. Sie dachte an Sandra, die in ihrer Hand gelesen hatte, was kommen würde. Nun würde sie mit Paloma reisen; jeder Tag würde neue Abenteuer bringen. Sie würden zusammen sein, in einer Welt im Kreis, voller Farben und Wunder. Einer Welt, die jede Nacht neu entstand, sobald die Scheinwerfer leuchteten. Mari blinzelte schlaftrunken. Sie spürte kaum, wie Lola zärtlich ihre Schultern umfasste. Der Lärm, die Stimmen und das reichliche Essen machten sie ganz beduselt. Sie schob ihren Teller zurück, legte den Kopf auf die Arme und fiel in einen tiefen, glücklichen Schlaf.
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