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Mari reitet wie der Wind

Mari reitet wie der Wind

Titel: Mari reitet wie der Wind
Autoren: Federica de Cesco
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sehen.« Doch Mari hörte kaum hin, denn sie wollte sich ihre gute Stimmung nicht verderben lassen. Sie freute sich so sehr auf die Zirkusvorstellung am Abend – und außerdem war heute das Fest der Schwarzen Sara! Zweimal im Jahr fand dieses Fest statt. Die Holzstatue der Schwarzen Sara befand sich in der Kirche, in einer unterirdischen Kammer. Heute war es Mari besonders wichtig, der Heiligen ihren Gruß zu überbringen. Von der Menge geschoben, zwängte sie sich durch das Portal. Stickige Luft schlug ihr entgegen. In den Gängen drängten sich die Pilger, fast alle mit einer brennenden Kerze in der Hand. Stufen führten hinab in das alte Gewölbe.
    Die Schwarze Sara stand auf einem Steinaltar. Sie trug ein Gewand aus blauem Brokat und ein Diadem aus Strasssteinen. Sie war über und über mit besticken Taschentüchern, Seidenschals und Tüllschärpen bedeckt, denn in der Hoffnung, dass ihre Wünsche in Erfüllung gingen, machten viele Sara Geschenke. Frauen und Männer drängten sich vor der Statue, beugten vor ihr die Knie und küssten sie auf den Mund. Die Masse der Pilger schob Mari weiter, bis sie vor dem Altar stand. Lola hatte ihr ein altes Taschentuch gegeben, mit Erdbeeren bestickt, das noch von ihrer Großmutter stammte. Mari hob sich auf die Zehenspitzen, legte ihr Geschenk zu den vielen Tüchern, die bereits die Schultern der Holzfigur bedeckten. Ihre Lippen bewegten sich. »Heilige Sara, mach, dass meine Mutter wieder glücklich wird und lacht. Und dass ich Paloma behalten darf!«
    Abends waren alle Straßen schwarz von Menschen. Kinder zündeten Knallfrösche an, sprangen fröhlich kreischend zurück. Feuerwerksraketen stiegen hoch. Karusselle drehten sich, Händler verkauften Zuckerwatte und andere Leckereien. Straßenmusikanten spielten, Mädchen und Burschen tanzten, ließen Kastagnetten klappern. Das Zirkuszelt flimmerte in der Nacht wie ein Traumbild. »Oh, sieh doch, Mama, sieh!«, rief Mari. »Ist das nicht wunderschön?« Sie schleppte Deborah auf ihrem Rücken. Die Kleine trug ihr Kleidchen aus weißer Spitze und eine rosa Schleife im Haar. Lolas rehbraune Augen leuchteten wehmütig. »Immer wenn ich ein Zirkuszelt sehe, denke ich an früher. Wir haben den Zirkus im Blut. Aber unser Leben ist ganz anders geworden. Damit müssen wir uns abfinden . . .« Fanny war schon für ihren Auftritt gekleidet: Sie trug ein schwarzes Kostüm, Beinschützer, eine Nelke im Haar. Sie begrüßte Lola voller Zuneigung, nahm Deborah in die Arme und spielte eine Weile mit ihr. Inzwischen strömten die Zuschauer in das Zelt. Lola, Mari und Deborah hatten die besten Plätze bekommen: im unteren Teil des Zeltes, gerade hoch genug, dass sie alles gut sehen konnten. Die Vorstellung begann. Zum Klang der Trommeln und Flöten zeigten Reiter aus aller Welt ihre Kunststücke. Mongolen, Ungarn, Araber und Indianer stürmten in die Manege. Reiter und Pferde teilten die gleiche Freude am Spiel, schufen Traumbilder voller Klänge und Farben. Doch plötzlich scheute ein Araberhengst, als ein junger Mann einen Purzelbaum auf seinem Rücken schlug. Ein Beben lief durch die Zuschauer. Der Junge prallte schwer auf dem Boden auf, wurde sofort aus der Manege getragen. Lola biss sich hart auf die Lippen. Sie sprang auf, verließ hastig ihren Platz, zwängte sich durch den Sattelgang nach draußen. Mari folgte mit ihrer kleinen Schwester im Arm. Man hatte den Verunglückten in einen Wohnwagen gebracht. Die Artisten, blass unter ihrer Schminke, drängten sich auf der Treppe. Lola zwängte sich sanft durch sie hindurch, leise Entschuldigungen murmelnd. Der Junge in seinen roten Pluderhosen lag mit verzerrtem Gesicht auf einer Pritsche. Kalter Schweiß bedeckte seine Stirn. Doch schon untersuchte Lola den verletzten Fuß und begann, ihn mit sanften, geschickten Bewegungen zu massieren. »Zum Glück nur eine Verstauchung«, sagte sie atemlos. Sie massierte eine Weile den Fuß. Der Junge entspannte sich, lächelte erleichtert. Da betrat Lukas mit schweren Schritten den Wohnwagen. Er war schon für die Manege gekleidet, trug schwarze Pluderhosen und Stiefel. »Der Arzt wird gleich kommen«, sagte er. Lola sah zu ihm auf. »Das wird kaum nötig sein. Die Schwellung ist schon abgeklungen. Morgen werde ich ihm ein e Salbe bringen. Ich stelle diese Heilmittel selbe r her. Sie wirken gut. « Lukas betrachtete Lola sehr aufmerksam . »Schwester, woher weißt du, wie man Verletzungen behandelt? « Sie warf ihr Haar aus dem Gesicht . »Ich kenne
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