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Marathon

Marathon

Titel: Marathon
Autoren: Helmut Frangenberg
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bat er sie. »Bitte.«
    »Ich habe keine
Lust mehr auf ihr ›bitte, bitte‹, Herr Randberg.
Sagen Sie mir, was hier los ist.«
    Als sich Randbergs
Frau meldete, holte er tief Luft. Remmer wartete und sah ihn
fordernd an.
    »Ich habe ihn
besucht.«
    »Wen?«,
fragte Remmer. Man konnte Randbergs Frau ins Telefon rufen
hören.
    »Ingo Gassmann.
Ich war bei ihm, nachdem wir uns durch Zufall am Grab meiner
Tochter getroffen haben. Er war sehr traurig und
wütend.«
    Obwohl sich Randberg
viel Zeit ließ und wieder zögerte weiterzuerzählen,
drückte Remmer das Gespräch am Handy weg, das daraufhin
sofort anfing zu summen. Sie erkannte Gröbers Nummer auf dem
Display, ließ seinen Anruf jedoch unbeantwortet. Sie wollte
sich nicht unterbrechen lassen.
    »Hören Sie,
Randberg. Über Motive, Begegnungen und Gefühle
können wir später reden. Ich möchte von Ihnen erst
einmal nur wissen, wo der Mann steht, den Sie engagiert haben, um
Gassmann zu töten. Auch die spannende Frage, warum er
überhaupt hier sterben soll, vertagen wir. Sie sagen mir
jetzt, wo meine Kollegen den Mörder finden.«
    Randberg sah sie
fragend an. Remmer fühlte, dass er Zeit schinden wollte. Weil
ihr Handy nicht aufhörte zu brummen, leitete sie Gröbers
Anruf auf die Mailbox um.
    »Habe ich mich
klar ausgerückt? Wo ist er?«
    »Ich weiß
es nicht. Ich weiß noch nicht einmal, ob es überhaupt
jemanden gibt, der auf Gassmann wartet.«
    »Aber Sie haben
doch gewartet.«
    »Er hat gesagt,
ich soll da sein.«
    Wieder meldete sich
ihr Handy. Sie schaute auf die Uhr. Eigentlich war es noch zu
früh für Gassmanns Zieleinlauf. Sie versuchte sich weiter
auf Randberg zu konzentrieren.
    »Wer hat gesagt,
Sie sollen da sein?«
    Sie musste das
Gespräch annehmen. Gröber schien nicht aufgeben zu
wollen.
    »Warte,
Gröber. Bleib dran, dann kannst du hören, was uns der
gute Herr Randberg zu erzählen hat«, sagte sie
ungehalten, nachdem sie dem Signalton des Handys nachgegeben hatte.
Doch Gröber wollte nicht warten. Stattdessen fluchte er
unverständliches Zeug.
    »Gassmann. Er
hat gesagt, kommen Sie zum Ziel«, flüsterte
Randberg.
    »Verdammt,
Gröber. Halt einen Moment das Maul!«, rief sie ins Handy
und wandte sich wieder Randberg zu.
    »Aber warum
sollten Sie zum Ziel kommen?«
    In Remmers Kopf
rotierte es, während ihr Kollege nicht
nachließ.
    »Er hat alle
seine Ankündigungen eingehalten«, fuhr Randberg fort.
»Keine leeren Versprechungen mehr, hat er gesagt. Und so war
es auch.«
    »Ich habe ihn,
verdammt, Remmer«, schepperte es durch das Handy.
    »Ich wusste
immer, an welchem Ort er zu welcher Zeit war«, fuhr Randberg
fort. »Er hat mir zugesagt, dass ich dabei sein kann, wenn
die Mörder meiner Tochter bestraft werden. Er hat mir auch
versprochen, dass die Polizei endlich anfängt zu arbeiten und
den Fall neu aufrollen wird. Doch verlassen sollte ich mich nur auf
ihn. Ich hab's mir angesehen in Vosskamps Wohnung und vor Leuschens
Haus. Er hat immer Wort gehalten.«
    »Ingo Gassmann
ist der Mörder?«
    »Er liegt auf
dem Dach«, schnaufte Gröber, dem man anhörte, dass
er an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen
war.

65
    Der Himmel war klar,
fast tiefblau. Wer hätte das gestern gedacht? Er saugte die
Luft über dem Fluss in seine Lungen. Lebenselexier. Er konnte
jede Faser seines Körpers spüren. Seine Füße
stampften über den Asphalt der Deutzer Brücke. Eine
letzte Kraftanstrengung bis zum Scheitel der Rheinbrücke.
Danach würde das Gefälle die Läufer regelrecht ins
Ziel gleiten lassen. Gassmann fühlte sich jetzt schon
federleicht. Geradezu euphorisch nahm er den letzten
Kilometer.
    »Der Krieg ist
aus. Heraus aus den Schützengräben. Hallo, mein
Feind!«, grüßte er in die Menge.
    Zeit für den
Frieden. Endlich Ruhe, endlich ankommen. Und was kommt dann? Tod,
Leben, totes Leben? Es war ihm egal. Er warf einen Blick
zurück auf das Rheinpanorama, diese künstlich gezimmerte
Idylle, nachgebautes Mittelalter, das es so wohl nie gegeben hatte.
Überall Fassaden, nichts Echtes, außer dem
Schweiß, der aus seinen Poren drang. Ein Frachter schob sich
unter der Brücke her. Man könnte in die Tiefe springen
und mit ihm ans Meer fahren, dachte er. Die letzte Chance. Aber er
brauchte keine Chance mehr. Wozu auch? Was sollte er noch mit sich
und seinem Leben anfangen, außer diesen Lauf zu Ende bringen?
Lebenslaufende. Die letzte Zeitmessung, ein neuer Rekord, als
selbst bestimmtes Ziel eines Lebens, das weitgehend aus
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