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Marathon

Marathon

Titel: Marathon
Autoren: Helmut Frangenberg
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Anpassung
bestanden hatte. Nie mehr vor Unannehmlichkeiten weglaufen, sondern
ein Ziel ansteuern, das alle Anstrengungen und Mühen lohnt.
Endlich mit sich im Reinen sein, keine Lebenszeit mehr vergeuden,
wie er es sonst getan hatte.
    Erst mit den scharfen
Schnitten in Vosskamps, Leuschens und Höllerbachs Haut hatte
er begonnen, Verantwortung zu übernehmen. Als er die Klinge
drehte, um den Blutfluss nicht enden zu lassen, hatte er das
Versprechen eingelöst, das er Lisas Vater gegeben hatte. Zum
ersten Mal würde er etwas Bleibendes hinterlassen, ein Fanal,
eine Warnung an alle, die sich hinter ihren Fassaden eingerichtet
hatten und ein sinnloses Leben führten. Und: Bald würde
er wissen, wie es ist, zu sterben.
    Etwa zweihundert Meter
vor sich sah er die beiden Polizisten am Streckenrand stehen.
Vielleicht warteten sie auf ihn. Doch das war ihm egal. Sie
würden ihn nicht erwischen.
    Remmer rannte die
Straße hinunter, brüllte Menschen an, die ihr im Weg
standen, und stürmte zurück in den Zielbereich. Um nicht
wieder durch das Gedränge zu müssen, nahm sie einen
kleinen Umweg in Kauf. Hinter den Tischen, auf denen sich die
Medaillen für alle Teilnehmer türmten, gab es einen
kleinen Durchgang.
    Was für ein
Wahnsinn, dachte sie. Was für ein verrückter
Irrsinn.
    Fast wäre einer
der Tapeziertische mit Hunderten von Medaillen
umgestürzt.
    »Polizei! Machen
Sie Platz!«, rief sie.
    »Gassmann ist
kein Mörder, Frau Kommissarin«, hatte Randberg gesagt,
während Gröber weiter durch das Handy gebrüllt
hatte. »Er steht nur für etwas
gerade.«          
    »Indem er seine
Teufels-Kumpel von damals abschlachtet?«
    Randberg hatte nicht
geantwortet.
    »Und was ist mit
ihm? Wird er auch bestraft?«
    »So hat er es
mir versprochen.«
    Sie war aus dem Auto
gestürmt und hatte damit begonnen, ihren Kollegen anzutreiben,
der durch das Treppenhaus des Bürogebäudes nach oben
stürzte.
    Sie wusste nicht
genau, wohin sie laufen sollte. Um Gröber zu folgen, war die
Zeit zu knapp. Also entschied sie sich, Gassmann und mit ihm
Hunderten weiteren Läufern entgegenzulaufen.
    »Gröber,
wie weit noch?«, schrie sie ins Handy.
    »Ich habe es
gleich«, keuchte er. »Aber ich weiß nicht, wie
ich auf dieses Scheiß-Dach komme.«
    Während sie
rannte, schaute sie immer wieder zum Dach des
Bürogebäudes hinauf. Zunächst sah sie ihn nicht.
Kein Gewehrlauf, kein Mann auf dem Dach. Sie versuchte gleichzeitig
die Läufer, die ihr entgegenkamen, im Auge zu behalten,
Gassmann unter ihnen auszumachen und das Dach des Bürohauses
abzusuchen. Erst als sie ihren Schritt verlangsamte und sich auf
das Haus im Sonnenlicht konzentrierte, meinte sie, den Killer sehen
zu können. Die Entfernung für einen gezielten Schuss war
riesig, fand sie. Ohne auf die Läufer zu achten, rannte sie
weiter. Ein als Clown geschminkter Mann musste zur
Seite springen. Der Läufer, der ihm dicht auf den Fersen war,
konnte nicht mehr ausweichen. Sie stieß frontal mit ihm
zusammen. Während sie zu Boden ging, sah sie einen Mann in
einem grünen ärmellosen Hemd ohne Startnummer an sich
vorbeilaufen. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, wohl aber diese
seltsam behaarten Waden, die sie bislang erst einmal bei einem Mann
gesehen hatte. Andere Läufer sprangen an ihr vorbei. Niemand
wollte ihr aufhelfen, niemand ihr zuhören, als sie seinen
Namen schrie.
    Niemand hatte den
Polizisten ein Foto des Mannes gezeigt. Sie wussten nur von einem
roten Trikot und der Startnummer 5419. Jetzt würde Ingo
Gassmann ungehindert ins Ziel laufen.

66
    Kusnezow hatte den
erneuten Tumult im Zielbereich erst jetzt bemerkt, weil er sich
ausschließlich auf Gassmann konzentriert hatte. Der Mann
machte es ihm leicht. Kusnezow sah, wie er sich regelrecht von
einer Läufergruppe absonderte, um allein ins Ziel zu laufen
und so zum Ziel auf dem Präsentierteller zu werden. Damit
hatte Kusnezow nicht gerechnet. In wenigen Augenblicken würde
er tot sein. Würde er seine Arme in die Höhe strecken,
wenn er das Ziel durchlief? Dann würde er ihn in der Pose des
Siegers erschießen. Wie der erste Marathonläufer vor
zweitausendfünfhundert Jahren »Sieg, Sieg«
brüllend, würde er im Ziel zusammenbrechen.
    Doch dann war ihm
wieder diese Frau ins Visier gelaufen. Er sah, wie die Frau mit
einem Mann zusammenstieß. Im Fallen schien sie ihre Hand nach
seiner Zielperson auszustrecken. In wenigen Sekunden würde
sein Mann ankommen. Er behielt den Kopf des Läufers im
Fadenkreuz. Noch
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