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Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels

Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels

Titel: Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels
Autoren: Andrea Camilleri
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Eins
    Selten hatte er eine so schlimme Nacht erlebt. Doch kaum war er wieder eingeschlafen, ließ ihn ein fürchterlicher Donnerschlag hochschrecken, als hätte man fünf Zentimeter neben seinem Ohr eine Kanone abgefeuert. Fluchend setzte er sich im Bett auf. An Schlaf war nicht mehr zu denken, es hatte keinen Sinn, noch länger liegen zu bleiben.
    Er stand auf, trat ans Fenster und sah hinaus. Draußen tobte ein ordentliches Gewitter: Gleißende Blitze zuckten über den pechschwarzen Himmel, die Wellen bäumten sich vier Meter hoch auf und schleuderten ihre weiße Gischt ans Ufer. Die Brandung hatte den ganzen Strand verschlungen, das Wasser kam bis unter die Veranda heran. Er schaute auf die Uhr: Es war erst sechs.
    In der Küche stellte er die Espressokanne auf die Herdplatte, setzte sich und wartete, bis der Kaffee fertig war. Allmählich fiel ihm wieder ein, was er geträumt hatte. Eine elende Plage, die ihn nun schon seit ein paar Jahren quälte! Warum erinnerte er sich bloß an jeden Quatsch, den er geträumt hatte? Soweit er wusste, schleppten keineswegs alle nach dem Aufwachen ihre Träume mit sich herum. Sie schlugen die Augen auf, und alles, was ihnen im Schlaf widerfahren war, Angenehmes wie Unangenehmes, war weg. Bei ihm nicht. Und das Schlimmste dabei: Es waren problematische Träume. Sie warfen eine Menge Fragen auf, die er meistens nicht beantworten konnte. Und das nervte ihn.
    Am Abend hatte er sich gut gelaunt zu Bett gelegt. Seit einer Woche gab es im Kommissariat keine besonderen Vorkommnisse, und das wollte er nutzen, um Livia mit einem Besuch in Boccadasse zu überraschen. Er löschte das Licht, kuschelte sich in seine Schlafposition und schlief fast augenblicklich ein. Und sofort begann er zu träumen.
    Er betrat das Kommissariat und sagte: »Catarè, ich werde nach Boccadasse fahren.« Und Catarella antwortete: »Sag mir quando, sag mir wann. Sag mir quando quando quando.«
    Fazio mischte sich ein. »Dottore, mit Verlaub, aber Sie können nicht nach Boccadasse fahren.«
    »Wieso denn nicht?«
    Fazio schien zu zögern.
    »Wissen Sie’s nicht mehr, Dottore?«
    »Was denn?«
    »Dass Sie gestern früh genau um sieben Uhr fünfzehn gestorben sind?«
    Er zog einen Zettel aus der Jackentasche.
    »Sie sind Salvo Montalbano, Sohn von …«
    »Lass diesen Personalienkram! Bin ich wirklich gestorben?! Wie das denn?«
    »Sie hatten einen Schlaganfall.«
    »Wo?«
    »Hier im Kommissariat.«
    »Und wann?«
    »Dieweil Sie telefonisch am Telefon mit dem Signori e Questori telefoniert haben«, klärte Catarella ihn auf.
    Dann hatte dieses Riesenrindvieh Bonetti-Alderighi ihn also derart in Rage gebracht, dass …
    »Wenn Sie es sich anschauen wollen …«, sagte Fazio. »Sie sind in Ihrem Büro aufgebahrt.«
    Zwischen den Bergen von Unterlagen auf seinem Schreibtisch hatte man Platz geschaffen und den offenen Sarg daraufgestellt. Er betrachtete sich. Er sah zwar nicht wie ein Toter aus, aber es bestand kein Zweifel, dass die Leiche im Sarg er selbst war.
    »Habt ihr Livia verständigt?«
    »Ja«, sagte Mimì Augello und trat auf ihn zu.
    Er umarmte ihn fest und sagte mit tränenerstickter Stimme:
    »Mein aufrichtiges Beileid.«
    Ein Chor von Stimmen wiederholte:
    »Aufrichtiges Beileid.«
    Der Chor bestand aus Bonetti-Alderighi, dessen Kabinettschef Dottor Lattes, Jacomuzzi, Schuldirektor Burgio und zwei Sargträgern.
    »Danke«, sagte er.
    Da kam Dottor Pasquano herein.
    »Woran bin ich denn gestorben?«, fragte ihn Montalbano.
    Pasquano brauste sofort auf.
    »Müssen Sie mir sogar noch als Toter auf den Senkel gehen? Warten Sie gefälligst das Ergebnis der Obduktion ab!«
    »Können Sie mir denn noch gar nichts verraten?«
    »So wie’s aussieht, war es ein Schlaganfall mit Todesfolge, aber es gibt da ein paar Einzelheiten, die mich nicht überzeu…«
    »O nein!«, mischte sich der Polizeipräsident ein. »Dottor Montalbano kann nicht in seinem eigenen Todesfall ermitteln!«
    »Warum denn nicht?«
    »Das wäre nicht korrekt. Er ist persönlich zu sehr in die Sache involviert. Außerdem ist das im Reglement nicht vorgesehen. Tut mir leid. Der neue Leiter der Kripo wird die Ermittlungen führen!«
    Da fiel Montalbano etwas ein, und er zog Mimì beiseite.
    »Wann kommt Livia?«
    Mimì machte ein betretenes Gesicht.
    »Sie hat gesagt, dass sie …«
    »Was?«
    Mimì starrte auf seine Schuhspitzen.
    »Sie hat gesagt, sie weiß es nicht.«
    »Was weiß sie nicht?«
    »Ob sie es schafft, zur Beerdigung zu
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