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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Herrenzimmer. Schütze schloß hinter ihm die Tür, ohne noch einen Blick auf seine versammelte Familie in der Diele zu werfen.
    »Bitte«, sagte er, »nehmen Sie Platz.«
    »Danke verbindlichst.« Walter Bolz verbeugte sich. »Dem Rate Utas folgend, soll ich Ihnen sofort das Unangenehmste zuerst sagen, damit völlige Klarheit herrscht …«
    »Unangenehmste?« Schützes Stirnadern schwollen an. »Wollen Sie damit andeuten, daß durch bestimmte Ereignisse eine Heirat mit meiner Tochter außer Frage steht?«
    »Aber nein, Herr Schütze –«
    »Oberstleutnant.«
    »Ja. Das ist es.« Bolz holte tief Atem. »Das ist das Unangenehmste: Ich bin leidenschaftlicher Pazifist –«
    »Sie –« Schütze ließ sich schwer in seinen Sessel fallen. »Meine Tochter mit einem Pazifisten. Es bleibt mir aber auch gar nichts erspart.«

20
    Halten Sie einen Pazifisten für etwas so Verachtungswürdiges?« Walter Bolz nahm allen Mut zusammen, dies zu sagen.
    »Ich bin Militarist, Herr!« sagte Schütze laut.
    »Und haben damit zwei Kriege verloren –«
    »Ich?« Schütze schnellte aus dem Sessel hoch. »Sie Würstchen wagen es, mir ins Gesicht zu sagen –«
    »Ich bitte um eine Klarstellung, Herr Schütze –«
    »Oberstleutnant!« brüllte Heinrich Emanuel.
    »– daß ich nicht einer Ihrer Rekruten bin, sondern mein Diplom habe, und daß ich –«
    »Sie stehen hier im dunklen Anzug, um meine Tochter von mir zu bekommen!« Schützes Stimme donnerte durch das Haus. In der Diele stand die Familie, Amelia sehr blaß, Giselher rauchend, Ellen hielt Utas Hände fest und drückte sie tröstend. »Aber statt die Höflichkeit so lange zu wahren, bis Sie das Jawort haben – oder nicht, attackieren Sie mich gleich mit der Gemeinheit, ich hätte zwei Kriege verloren! Ich! Lernen Sie erst Geschichte, mein Herr, ehe Sie heiraten! 1918 fiel uns die Heimat in den Rücken, und 1945 gab es keine Moral im deutschen Volk mehr! Das ist meine Ansicht!«
    »Gott sei Dank entspricht sie nicht der wahren Geschichte.«
    »Was streite ich mich mit einem Milchbart, wie Ihnen herum?«
    Schütze sah sehr deutlich auf die Tür. »Kommen Sie wieder, Herr Pazifist, wenn Sie gelernt haben, die deutsche Tragödie zu erkennen. Ich kann keinen Schwiegersohn gebrauchen, der nicht bis ins Mark urdeutsch fühlt. Und urdeutsch heißt militärisch denken.«
    Heinrich Emanuel drehte sich weg. Walter Bolz stand noch eine Weile stumm und nachdenklich im Zimmer. Dann wandte er sich ab und verließ den Raum. Erst, als die Tür klappte, drehte sich Schütze um.
    »Rotzjunge!« sagte er laut. Als er es ausgesprochen hatte, tat es ihm gut.
    In der Diele fiel Uta weinend Walter Bolz um den Hals. Amelia hob beide Arme. Jeder wußte, daß sie hier hilflos waren und keiner etwas unternehmen konnte. Wer Heinrich Emanuel auf den Lebensnerv trat, mußte damit rechnen, zerrissen zu werden.
    »Ich werde mit Vater sprechen«, sagte Giselher und drückte seine Zigarette aus. »Ich habe ihm schon vieles unter die Seele gejubelt, was er vorher nie wahrhaben wollte. Laßt mich einmal …«
    Schütze stand am Fenster und sah hinaus auf seine Wiese und in das dunstige Tal, als Giselher eintrat.
    »Raus!« sagte er sofort.
    »Ich bin es, Vater. Dein Held Giselher, der Nibelunge.«
    Heinrich Emanuel drehte sich langsam herum. Seine Augen verrieten nichts Gutes. Unter dem Weiß seiner Haare wirkte das Gesicht unnatürlich rot.
    »Wenn du nicht zu alt wärest, würde ich dir jetzt eine herunterhauen.«
    »Das steht dir frei. Du bist der Vater, der Patriarch. Aber gestatte einem vielleicht unwürdigen Nachkommen deines Namens die Feststellung, daß ein Pazifist in der Familie ebenso tragbar ist wie eine englische Schwiegertochter. Ellen hast du aufgenommen … breite auch die Arme aus für den lieben Walter. Es geht um Utas Glück … nicht um deines, Alterchen. Du hast alles für uns getan … du hast dich abgerackert, Zeit deines Lebens, du hast ein Haus gebaut, mich studieren lassen, Uta eine gute Ausbildung gegeben, hast eine Firma aufgebaut und ein großes Mietshaus gekauft – du hast wirklich für uns gesorgt, daß wir ewig in deiner Schuld sein werden. Aber –«
    »Aber?«
    »Rechtfertigt das alles, tyrannisch zu sein? Walter Bolz ist ein netter Knabe. Uta liebt ihn, er liebt sie, er hat ein gutes Einkommen, ist ein anständiger Mensch –«
    »Er hat mir vorgeworfen, daß ich zwei Kriege verloren habe. Ich.«
    »Das war bildlich gemeint. Es ging um die Uniform.«
    »Genau um sie. Für
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