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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich ist die Uniform nach wie vor ein Ehrenkleid.«
    »Gut. Wir lassen es dir. Aber gestatte, daß die Welt sich weiter dreht und daß es Generationen geben wird, die im Krieg ein Verbrechen und im Soldatenspielen eine Sinnlosigkeit sehen. Gestatte, daß wir anders rechnen. Nicht 4,5 Milliarden für Bomber, Panzer und Kanonen, sondern 4,5 Milliarden für Krankenhäuser, für Wissenschaft und Kunst. Aus unserem Volk der Dichter und Denker ist in weniger als drei Generationen ein Volk der Waffenträger und Kriegsverlierer geworden. Gestatte uns die Ansicht, daß dies falsch ist und einer Reform bedarf. Der deutsche Junge soll nicht mehr geboren werden, um vor Verdun oder Stalingrad zu verbluten, sondern er soll aus Deutschland wieder ein Volk machen, das in der Gemeinschaft aller Völker für Frieden und Wohlstand arbeitet. Ich glaube kaum, daß eine Uniform und eine umgeschnallte Pistole mehr dem Fortschritt dienen als ein Pflug oder auch bloß ein Schraubenzieher. Das ist es, was Walter Bolz meinte, als er sagte: Ich bin Pazifist.«
    Heinrich Emanuel Schütze sah seinen Sohn wortlos an. Das Schweigen, das zwischen ihnen stand, war wie eine kalte Wand, die eisige Luft ausströmte.
    »Geh –«, sagte Schütz endlich leise. »Ich muß allein sein, um zu begreifen, daß ich wirklich allein bin. Verlassen von Frau und Kindern –«
    »Vater –« Giselher würgte es plötzlich im Hals. Eine solche Wirkung seiner Worte hatte er nicht erwartet. Schütze hob wie abwehrend die Hand.
    »Ich war mein ganzes Leben über einsam … ich habe immer das Glück gesucht, das Verständnis, nur ein klein wenig Verständnis. Was ich fand, war Spott, Verachtung, Gegnerschaft, Haß, Lächerlichkeit oder Ignorierung. Von allen … auch von euch.« Schütze drehte sich zum Fenster. Es tat ihm weh, in die großen Augen Giselhers zu sehen. »Geh – man kann über solche Dinge nicht diskutieren. Sie sind eine Herzenssache, eine Lebensaufgabe, ein realer Lebenssinn … Es ist gut, wenn ihr eure Welt selbst zimmern wollt und euch ein Bild gemacht habt, wie sie aussehen soll … aber laßt mich in meiner Welt übrig. Für mich war sie schön. Das kann mir keiner wegnehmen.«
    Leise verließ Giselher das Zimmer. Amelia empfing ihn und zog ihn in der Diele von der Tür weg.
    »Nun?« fragte sie flüsternd. »Hast du ihn überzeugt?«
    Giselher schüttelte den Kopf. Ein Kloß saß in seiner Kehle. Er schluckte und schluckte und schämte sich nicht darüber.
    »Ihr alle kennt Vater nicht«, sagte er stockend. »Er tut mir leid … er ist ein so fabelhafter Mensch … man muß ihn nur verstehen. Man muß sich nur die Mühe machen, in ihn hineinzusehen … ihr seht ihn nur von außen an. Verdammt, ich habe Mitleid mit dem Alten –«
    *
    Es war selbstverständlich, daß Uta-Sieglinde ihren Walter Bolz heiratete.
    So sehr er sich nach außen sträubte, schon beim Eintritt Walter Bolz' wußte Heinrich Emanuel, daß sein ›Prinzeßchen‹ mit dieser Wahl nicht danebengegriffen hatte. Nur sagte er es nicht. Er ließ die beiden Liebenden zappeln und mit ihm kämpfen wie einem uralten Hecht an der Angel. Dann gab er nach, knurrend, Bolz noch einmal mit Worten zusammenschmetternd. Anschließend aber stieg er selbst in den Keller und holte drei Flaschen Sekt herauf. Außerdem änderte er wieder sein Testament. Giselher hatte das Stadthaus, Uta bekam die Villa, Fritzchen würde auch ein Haus bekommen. Es wurde bereits gebaut, denn die Firma vergrößerte sich. Amelia aber hatte bis zu ihrem Tode das Wohnrecht und die Nutznießung des gesamten Vermögens. Er ernannte sie zum absoluten Chef der Familie.
    Schütze sagte niemandem etwas von diesem Testament. Er hinterlegte es bei einem Notar in Frankfurt. Um so mehr aber sprach er von einem Phänomen, das sich in Deutschland ereignet hatte.
    Das zweimal besiegte Deutschland, das so von aller Welt gehaßte Deutschland, das demontierte Deutschland, dem man 1945 selbst alle Küchenmesser über zehn Zentimeter Klingenlänge wegnehmen wollte, dieses völlig am Boden liegende Deutschland sollte wieder Soldaten bekommen. Eine neue, kleine Armee. Mit modernen Waffen. Als gleichberechtigte Brüder der europäischen Nationen. Es sollte Panzer bekommen, Flugzeuge, Raketen, Schnellfeuerwaffen … Und die allgemeine Wehrpflicht sollte auch wieder eingeführt werden.
    Rundheraus: Es sollte alles wieder so werden wie früher. Wie grüßt der deutsche Soldat? – Kerl, nicht einmal gehen können Sie! Bevor wir Sie nächsten
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