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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zur Mode geworden. Es hat sich unterdessen viel geändert … nicht nur die Gedanken, auch die Menschen. Ellen hat zwei Brüder über Deutschland verloren, sie wurden abgeschossen. Ihr Vater verlor ein Bein bei Aachen. Er war britischer Oberst. Mein Gott, wenn wir alle so denken würden, wenn wir alle nur hassen würden über Jahrzehnte hinweg, gäbe es ja nie einen Frieden auf der Welt. Wir sind eine andere Generation, Vater. Wir wollen lernen aus euren Fehlern …«
    »Fehler?« Schütze wirbelte herum. »Du Rotzjunge willst mir Fehler vorwerfen?!«
    »Was habt ihr uns hinterlassen? Willst du das nicht sehen? Soll es immer so weitergehen: Krieg – Zerstörung – Elend – Aufbau – neuer Krieg – wieder Zerstörung – wieder Elend … immer, ohne Ende, von Generation zu Generation? Könnt ihr nichts anderes als das?«
    Schütze stand steif, mit hochrotem Kopf, vor Ellen Vickers. Ihre großen, blauen Augen waren dunkel vor Beschämung. Augen wie Amelia, durchfuhr es Schütze plötzlich. Es war ihm, als durchschauten ihn diese Augen.
    »Seien Sie uns willkommen, Fräulein Vickers«, sagte er gepreßt.
    »Thank you …« Es war wie ein Hauch. Aber er traf Heinrich Emanuel wie eine Windbö.
    »Gehen wir ins Haus, Kinder!« Er faßte Amelia unter und schritt seiner Familie voraus in den Neubau. Der Geruch frischer Ölfarbe und Tapetenkleisters kam ihnen entgegen. »Es ist groß genug geworden … für einen mehr …«
    *
    Im Frühling 1951 heirateten Giselher und Ellen. Sie waren zwar noch Studenten, aber die Umstände zwangen sie, die vorher eingeplante Wartezeit zu verkürzen. Der Volksmund sagt dazu, sie ›mußten‹ heiraten.
    Geschehenes kann man nicht rückgängig machen. Vor allem nicht so etwas. Heinrich Emanuel bereitete sich also vor, Großvater zu werden. Er tat dies umsichtig und strategisch geschult wie immer. Da die Geschäfte seines Textilhandels blendend gingen, sah er keine Schwierigkeiten, ein Trümmergrundstück in Frankfurt zu kaufen und darauf ein Geschäftshaus bauen zu lassen. Unten zwei große Läden, erste und zweite Etage zum Eigenbedarf, dritte Etage und Mansarden aufgeteilt in kleine Appartements.
    Die erste Etage wurde als eine großzügige Arztpraxis für Giselher geplant, auf der zweiten entstand eine schöne, weiträumige Wohnung für das junge Ehepaar.
    In dieser Periode der Vermögensanlegung kam Uta-Sieglinde mit einem besonderen Anliegen. Es lag bereits seit Monaten in der Luft, Amelia war seit langem unterrichtet, Giselher und Ellen hatten bereits freundschaftliche Bande geknüpft, ja eigentlich wußten es alle bis auf Heinrich Emanuel, der geradlinig wie immer seinen Weg ging und Familiendinge an Amelia abgab, über die sie dann ab und zu, wenn es nötig war, berichtete.
    An einem Sonntagvormittag, schicklich um ½ 12 Uhr, stellte Uta-Sieglinde einen Herrn Walter Bolz vor. Er kam in einem dunkelblauen Anzug, hatte einen großen Blumenstrauß aus roten Nelken für Amelia in der Hand und stand in der Diele wie ein vergessener Koffer.
    Im Herrenzimmer bereitete unterdessen Giselher seinen Vater auf diesen Herrn Bolz vor. Er tat es in seiner Art, die Heinrich Emanuel immer wieder wehrlos überrumpelte.
    »Papa«, sagte Giselher forsch. »Draußen steht dein neuer Eidam und möchte seinen Knicks machen.«
    Heinrich Emanuel ließ die Sonntagszeitung fallen. »Wer ist draußen?«
    »Ein Mann, der sich Walter Bolz nennt, Dipl.-Ing. ist und den deine Tochter Uta so gerne als lebenslängliche Wärmflasche haben möchte.«
    Schütze begann, mit den Fingern auf die Sessellehne zu trommeln. Giselher lauschte auf den Rhythmus. War es der Marsch ›Friedericus Rex‹ war alles gut. War es ›Alte Kameraden‹, lag Gefahr in der Luft.
    Es war ›Alte Kameraden‹.
    »Warum erfahre ich das erst jetzt?« Schütze stand auf und zog seine Weste glatt. Er knöpfte den Rock zu und schob das Kinn vor. »Wird denn hier alles hinter meinem Rücken gemacht?«
    »Es ist die Angst vor deiner Autorität.«
    »Blödsinn.« Schütze öffnete die Tür.
    In der Diele standen Amelia, Uta, Ellen und Fritzchen wie eine Mauer um den blassen Bolz. Als die Tür aufging, verbeugte sich Walter Bolz.
    »Aha!« sagte Heinrich Emanuel laut. »Im dunklen Anzug. Wenigstens diese Form hat die Jugend noch behalten. Sie sehen mich nicht nur überrascht, Herr Bolz, sondern überrumpelt. Darf ich Sie bitten, in mein Zimmer zu kommen?!«
    Er trat zur Seite und winkte. Wie eine aufgezogene Puppe marschierte Walter Bolz in das
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