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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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guten Ton gehörte, erzählen zu können. Wir haben am Nebentisch der Begum gesessen. Ja, und der Strauß war auch da. Und überhaupt … soviel Bekannte. Man war immer unter sich.
    Von Bayreuth schnell nach Salzburg. Karajan zu sehen und zu hören, bildete Gesprächsstoff für einige Wochen. Heinrich Emanuel verband dies mit einer anderen Herzensangelegenheit. Er machte einen Abstecher nach Innsbruck und besichtigte Einheiten des österreichischen Bundesheeres. Leider hatte dieses bereits alle Socken vergeben. Aber es war trotzdem interessant. Europa besann sich wieder auf das Soldatentum. Die Geschichte der Menschheit kommt eben ohne Uniform nicht aus. Sogar die Komponisten und Dichter trugen früher ein Barett. Oh, waren das Zeiten …
    Obgleich sich Schütze gar nichts aus Filmen machte und nicht einen einzigen Darsteller kannte, besuchte er mit Amelia die Filmfestspiele in Berlin und den Filmball. Wie alles, was er im Leben anfaßte, mußte sich auch der Tanzunterricht amortisieren. Es kam so etwas wie ein Familiensinn der Emporgestiegenen auf. Man wußte genau, daß der Dr. Pelzer nur ganz trockenen Sekt trank und die Frau Regierungsdirektor – man war erst schockiert – einen ganz gemeinen Kümmel bevorzugte. Man kannte die Pelze und bei längerem Kontakt sogar die heimlichen Amouren. Letzteres stieß bei Schütze auf Ablehnung. Er fühlte, daß er über die Jahre hinaus war, um hier mitsprechen zu können.
    Die Geschäfte gingen blendend. Das Wirtschaftswunder goß Füllhörner über Schütze aus. Giselher hatte seine Praxis, und Ellen erwartete das dritte Kind. Walter Bolz war Direktor geworden und Uta Mutter von süßen Zwillingen. Es gehörte zu der Tragik im Leben Walter Bolz', daß ausgerechnet seine Firma zur Zubringerindustrie für leichte Feldgeschütze gehörte. Heinrich Emanuel hatte einen Bombenspaß und reagierte auf seine Weise.
    »Der Pazifist konsumiert Kanonen!« brüllte er seinen Schwiegersohn an. »Und er wird sogar Direktor wegen guter Leistungen!«
    »Lieber Walter – wie willst du das je verantworten? Du baust an Tötungsmaschinen! Wie kann man nur –«
    Dann schwieg Walter Bolz verbissen. Sein gutes Gehalt verbot alle Oppositionen. Er schluckte den schwiegerväterlichen Spott wie Lebertran.
    Aus dem kleinen Fritz wurde ein großer Fritz. Ein langer, aufgeschlossener Kerl, ein Schlacks, wie es Heinrich Emanuel ausdrückte, der seine ›Bude‹ mit Filmbildern bepflasterte, auf seinem Kofferplattenspieler Jazz und Rock 'n' Roll wimmern ließ und mit engen Nietenhosen und flaumigen Pullovern mopedknatternd seine Freunde besuchte.
    In der Schule – komischerweise besuchte er ein humanistisches Gymnasium und büffelte Latein und Griechisch – kam er gut mit, ohne ein Streber zu sein. Seinen Vater fragte er kaum um Rat. »Der Alte hat ein Latein, da geht mir die Locke hoch«, sagte er einmal zu Giselher. »Und in der Mathematik kommt er immer auf die Schießlehre. Was soll ich damit?«
    Heinrich Emanuel Schütze hatte mit diesem Fritz seine stillen Sorgen. Er sah an seinem Jüngsten eine Entwicklung, die völlig den Rahmen seiner Duldung sprengte. Sah man von den Nietenhosen ab, von der rüden Sprache, die Vokabeln wie ›Wolke‹, ›steiler Zahn‹ und ›dufte Puppe‹ enthielt, so sah es Schütze gar nicht gern, daß Fritz in einem ›Club‹ war, in dem auch Mädchen mit langen offenen Haaren oder wehenden Pferdeschwänzen verkehrten, wie die Urwaldneger tanzten und Coca-Cola wie Rauschgift tranken. Völlig konsterniert aber war er, als Fritz nach seinem achtzehnten Geburtstag zu seinem Vater kam und sagte:
    »Bester alter Herr – auf deinem Konto sind 4.000 DM zuviel.«
    »Was ist?« fragte Schütze. »Was soll der Unsinn.«
    »4.000 Piepen kostet genau der schicke Kleinwalzer, den ich brauche.«
    »Was brauchst du?«
    »Einen Kleinwagen, Papa. So'n schicken Flitzer. Fast alle bei uns haben einen vierrädrigen Untersatz. Nur ich hinke nach mit dem blöden Moped. Die denken alle, du hättest kein Geld –«
    Schütze kannte diese Taktik, er fiel nicht mehr darauf herein. Zuerst hatte es ihn geärgert, daß man ihn nicht für gleichwertig hielt, aber mit der Zeit hatte er gelernt, daß Ehrgeiz im Mithalten sehr teuer sein kann. Er winkte deshalb ab und sah seinen Sohn Fritz mit gerunzelter Stirn an. »Ein Auto muß man sich verdienen. Als ich aus dem Krieg zurückkam –«
    »Die Geschichte steht in jedem Magazin, alter Herr. Ihr habt am Daumen gelutscht vor Hunger. Ich weiß es.
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