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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Und ihr habt dann das Wirtschaftswunder erfunden. Nun habt ihr's … und nun müßt ihr mithalten mit eurer Schöpfung.« Er setzte sich auf die Lehne der Couch. Daß seine enge Hose nicht platzte, war ein Wunder. Die Nähte mußten mit Stahldraht genäht sein. »Also keinen Flitzer, Papa?«
    »Nein!« sagte Schütze laut und endgültig. Es war ein Ton, den Fritz kannte und sogar respektierte.
    »Gut, dann bin ich das arme Schwein unserer Klasse.«
    »Das schadet nichts.« Schütze schob das Bein Fritz' von der Lehne. »Im übrigen solltest du darüber nachdenken, was du werden willst. Noch zwei Jahre – und es ist soweit. Wenn ich sehe, was aus dir geworden ist, denke ich, daß du eine militärische Laufbahn einschlägst und ein richtiger Mann wirst. Offizier sein heißt –«
    »Hör auf, Papa!« Fritz hob beide Hände. »Ich kloppe meinen Wehrdienst ab, weil's sein muß. Vielleicht melde ich mich zu 'ner Spezialabteilung. Flugmechanik oder so. Man soll da allerhand lernen. Der Kommiß ist ja perdü … heute werden wir ja alle Spezialisten. Nur der Anzug ist anders. Ob blauer Monteuranzug oder graue Uniform … das ist doch gleich. Und was wir da lernen, kann man ja im Leben gut gebrauchen. Ihr habt sturen Kasernendrill gemacht … gut, daß das heute anders ist.«
    Schütze saß steif in seinem Sessel. Er war versucht, seinem Jüngsten eine hinter die Ohren zu schlagen.
    »Wie redest du über das Militär?« sagte er laut. »Die Kaserne ist die Waschanstalt der männlichen Seele. Ein richtiger Deutscher muß den grauen Rock getragen haben, sonst ist er nur halb. Unsere besten und größten Männer kamen aus der Armee.«
    »Wie der Gefreite Adolf Hitler –«
    »Halt deinen losen Mund!« schrie Schütze. Er sprang auf und umkreiste mit großen Schritten seinen Sohn. »Wie kann ein Junge in deinen Alter nicht vom Militär begeistert sein? Schon mit sechs Jahren spielte ich mit Kanonen und Bleisoldaten … es gab für uns nichts Schöneres auf der Welt als des Kaisers Rock, die flatternden Fahnen, den Klang der Hörner, die Trommelwirbel, den Pulverdampf …«
    »… den Heldentod und die verlorenen Kriege.« Fritz hob die Schultern. »Ich habe lieber mit dem Physikbaukasten gespielt und höre heute lieber die Beatles als ›Alte Kameraden‹ – und das Parfüm eines Mädchens ist mir lieber als Pulverdampf …«
    »Du halbfertiges Würstchen!« Schütze blieb bebend stehen. »Parfüm eines Mädchens … man sollte dir deutsche Ehre ins Gehirn schlagen!«
    »Ich betrachte es nicht als eine Ehre, wie ein lahmer Hase herumzuhüpfen und mich von einem Hilfsschüler, der auf Grund seiner großen Fresse zum Unteroffizier gemacht wurde, anbrüllen zu lassen: Sie da … Sie Studierter … Sie können doch Latein. Dann wissen Sie ja auch, was Lokus heißt! Scheißhaus heißt's, Sie Pflaume! Los … machen Sie den Lokus sauber … aber akademisch sauber! – Ist das Ehre, Vater?!«
    Schütze atmete schwer. Seit er als Lobbyist und Wirtschaftswunderkind herumraste, war er kurzatmig geworden und nahm Pillen gegen zu hohen Blutdruck. Er kam sich oft vor wie eine mit zu starker Kartusche geladene Haubitze.
    »Hast du denn nicht das geringste soldatische Gefühl?« fragte er tief atmend.
    »Nein.«
    »Zuckt dir das Herz nicht im Leibe, wenn du Marschmusik hörst?«
    »Nein. Ich denke höchstens … das als hot, das wär 'ne Masche.«
    »Wenn du eine Kolonne marschierender Soldaten siehst, – was denkst du dann?«
    »Arme Schweine –«
    »Fritz!«
    Fritz hob die Arme. »Ich kann nichts dafür, Papa. Warum soll ich dich belügen? Ich werde den Pflichtdienst mitmachen. Gut. Ich sehe ein, daß wir nicht wie Säuglinge dastehen können, wenn von irgendwoher ein Wildgewordener losknallt. Man lernt Judo und Ringen, Boxen und Jiu-Jitsu … warum soll man zur Selbstverteidigung nicht auch schießen lernen? Aber so etwas wie ein Ehrgefühl, die Uniform zu tragen, im Marschschritt ein Ideal zu sehen, eine Erfüllung des männlichen Lebens … nee, Papa, das ist nicht drin. Nicht mehr bei uns. Für uns ist euer so geliebtes Militär nur eine Lehrstelle zur eigenen Sicherheit. Wir lernen nicht für einen Krieg, wie ihr damals, sondern gegen einen Krieg.«
    »Welch eine Jugend.« Schütze wandte sich ab.
    Was Fritz sagte, war wahr. Er wußte es. Aber er weigerte sich, diese neue Ansicht in sich zu verpflanzen. Er war aufgewachsen in einer Tradition, die neben dem Knochengerüst das Korsett seines Körpers gewesen war. Wenn man in eine alte
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