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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang
Autoren: Gitta von Cetto
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Auto angeschafft hatte. Im Mühltal, über dessen
Straße sich die Buchen wie zu einem hohen Dom wölbten, lag die Morgensonne wie
damals! Er sah von der goldgrünen Buche weg. Vor ihm stand immer noch die Muhr.
Sie würde immer dastehen, fünf Jahre, zehn Jahre, alle Tage, alle Jahre seines
Lebens, die verregneten Montage mit eingerechnet.
    Warum hatte er nach Margots Tod
nicht noch einmal geheiratet? Er war damals noch keine dreißig Jahre alt
gewesen, ein junger wohlhabender Mann. Ja, warum eigentlich? Aus Trotz? Er
hatte sein stilles Heldentum geliebt, offenbar zählte er zu den Menschen, die
sich gern im Mittelpunkt tragischer Geschehnisse sehen. Seine Urgroßmutter war
Russin gewesen, daher wohl sein Hang zum Leiden.
    Seine Gedanken kehrten in die
Wirklichkeit zurück. »Ich möchte Kaviar zum Frühstück«, sagte er, »haben wir
welchen im Haus?«
    Die Frage traf Fräulein Muhr,
die ihn als einen anspruchslosen Mann kannte, wie ein Peitschenhieb.
    »Ich habe eine Dose Kaviar,
eine einzige.«
    »Die genügt.«
    »Ich habe gelesen, daß Menschen
durch Hundewürmer elend zugrunde gehen können. Fräulein Goggi sollte den Hund
wirklich nicht in ihrem Bett schlafen lassen«, reagierte sie ihren Ärger über
den Kaviar ab.
    »Jacky wird es sich kaum
ausreden lassen. Aber vielleicht könnte man Goggi daran gewöhnen, im
Hundekörbchen zu schlafen.«
    Er ging mit der Muhr aus dem
Zimmer und stieg nachdenklich die Treppe zur oberen Etage hinauf. In Goggis
Zimmer sah es nach hastigem Aufbruch aus. Das war nicht ungewöhnlich. Sie
zerstörte die Ordnung, wo sie ihr begegnete, die Ordnung aller Dinge. Nur in
ihren Gefühlen herrschte Ordnung. Ronald trat vor das Bett mit dem zerknüllten
Kopfkissen und schlug die Daunendecke zurück. Jacky blinzelte mit einem Auge.
Er war unangenehm berührt durch die rüde Art des Weckens. Viel Takt besitzen
die Menschen nicht, mochte er denken.
    »Tut mir leid, alter
Pennbruder«, sagte Gutting und wies mit dem Daumen nach rückwärts. »Du wirst
gekämmt und bekommst eine Schleife. Heute ist Geburtstag.«
    Jacky sprang mißmutig aus dem
Bett und dehnte sich mit gespreizten Vorderläufen. Ronald ließ ihm Zeit, sich
mit der Unannehmlichkeit der Morgentoilette vertraut zu machen. Er hob einen
Strumpf auf und warf ihn über den Stuhl. Auf demselben Stuhl hatte er vor
Jahren die Kattunkleidchen, das Leibchen und die Höschen von Goggi ausgebreitet
und philisterhafte Ratschläge dazu gegeben. »So legt ein ordentliches kleines
Mädchen seine Kleider auf den Stuhl, sonst bekommt es später keinen Mann.« Er
hieb mit der Faust auf die Stuhllehne. Quatsch! Das war ja alles Quatsch.
    »Jacky! Marsch, vorwärts!«
    Jacky streifte ihn mit einem forschenden
Blick. Warum schreit er denn schon wieder so? Wer hat was ausgefressen? Er
trottete gesenkten Hauptes hinter Ronald her. Sie kamen auch an der angenagten
Ecke des Teppichs vorbei, aber dieses Vergehen lag jetzt schon eine Ewigkeit
zurück. Vier Tage.
    Ronald hörte Goggi mit dem
großen Wagen zurückkommen und biß sich ärgerlich auf die Lippen. Dieses scharfe
Bremsen zeugte von schlechten Fahrmanieren. Und die Reifen! Tausendmal schon
hatte er ihr das gesagt.
    Er kniete unten vor dem Kamin
und striegelte Jacky, als Goggi ins Haus stürmte. »Du warst weg?« fragte er,
ohne aufzublicken.
    »Ihr seid zu drollig, du und
Jacky.«
    »Wieso sind wir drollig?«
    »Ihr seht heute so verknurrt
aus, und da werdet ihr euch ähnlich. Hat euch das noch nie jemand gesagt?«
    »Mir nicht. Vielleicht hat
jemand Jacky darauf aufmerksam gemacht.«
    Ronald sah Goggis glühende
Wangen. »Wo bist du eigentlich gewesen?« Er wußte es. Die Frage hätte er sich
ruhig sparen können.
    »Ich habe mit Nico rasch einen
Espresso getrunken. Ich hatte es ihm versprochen. Er wollte mir guten Morgen
sagen und mir Glück wünschen. Und mit mir seinen Frühstückskaffee trinken.«
    Ronald ziepte Jacky beim
Auskämmen seiner Bartsträhnen. Jacky protestierte und jaulte auf.
    »Quäle nie ein Tier zum Scherz,
Papa.« Goggi kniete neben ihm nieder, nahm ihm den Kamm aus der Hand und
begann, Jackys Bart sanft zu striegeln. »Du gehst zu roh mit ihm um.«
    »Roh? Er kann sich keinen
besseren Herrn wünschen. Ich lasse ihm alles durchgehen. Fehlt nur noch, daß
ich ihm helfe, Hühner zu fangen.«
    Sie war mit dem Auskämmen
fertig und erhob sich. »Wann werde ich gefeiert?«
    »Es geht gleich los. Ich rufe
dich.«
    Nach zehn Minuten war es
soweit. Er stand an der offenen Tür zur
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