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Mann der 1000 Namen

Mann der 1000 Namen

Titel: Mann der 1000 Namen
Autoren: A. E. van Vogt
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ein Fünfzehnjähriger wirklich wissen, daß man sich nicht einsperrt und dann einfach den Schlüssel verliert. (Er hatte ihn aus dem Fenster geworfen und sich dann selbst weisgemacht, daß er ihm aus den Fingern gerutscht war.)
    Später, als es dunkel wurde, hatte er vom Fenster aus einem Angestellten zugerufen. Zugerufen? Vielleicht hatte er keinen lauteren Ton als jetzt ausgestoßen, der im Höchstfall in unmittelbarer Nähe gehört werden konnte, jedoch nicht vier Stockwerke tiefer. Doch damals beschrieb er es anders.
    Kunstvoll ausgeschmückt, erläuterte er seine Geschichte, daß der angeblich angerufene Angestellte, dessen Name Mark Bröhm war, ihn eingesperrt hatte und sich dann vom Rasen aus über ihn lustig machte.
    »Er kugelte sich vor Schadenfreude da unten, Dad. Er muß mich aus tiefster Seele hassen, und vielleicht haßt er überhaupt alle Reichen.«
    Sein Vater, der ständig äußerst beschäftigt war, hatte sich damals mehr als sonst Gedanken darüber gemacht, daß ausgerechnet sein Sohn immer auf Menschen stieß, die ihn angeblich haßten. Deswegen nahm er sich sogar Zeit, mit dem Jungen zu sprechen.
    Er erklärte ihm, daß es immer das beste sei, die Wahrheit zu sagen; daß die Strafe für eine schändliche Tat oder Lüge am Ende nicht ausbliebe; daß psychische Ketten einem mit jeder Person verbänden, der man Unrecht zugefügt hatte, und daß man deshalb nie wirklich frei sein könnte.
    Natürlich hätte Steven die Wahrheit wissen müssen, aber inzwischen war er von seiner eigenen Lügengeschichte bereits völlig überzeugt. Er erzählte allen, die es hören wollten oder auch nicht, daß einer der Angestellten ihn grundlos zu töten versucht hätte.
    »Ich habe höchstens zweimal mit ihm gesprochen«, versicherte er, »solange er bei uns beschäftigt war. Aber vielleicht war gerade das der Grund. Vielleicht fühlte er sich zu wenig beachtet.«
    Aus dem Munde eines Fünfzehnjährigen klang diese Weisheit ein wenig altklug. Wahrscheinlich war es Steven, der sich mehr Beachtung von seinem ständig überlasteten Vater wünschte.
    Diese Erinnerung und der kaum ernstgemeinte Versuch, um Hilfe zu rufen, hatten seine Schritte verlangsamt. Die Fremden kreisten ihn ein. Als sie nach ihm griffen, zuckte Steven zusammen. Es war ein innerliches Zusammenzucken. Er wollte nicht dulden, daß unsaubere fremde Finger zum erstenmal, seit es Leben auf der Erde gab, die Haut eines Erdenmenschen berührten. Allein der Gedanke drehte ihm den Magen um.
    Im nächsten Augenblick, der ihm eine Ewigkeit schien, passierte es. Die Hand eines Mittendianers streifte seine Schulter, dann packte sie seinen Arm und wirbelte ihn herum.
    Mutter, die Berührung, dieses Gefühl – es ist zu viel! Tausend Namen stecken in ihm. Schnell, versetz ihn!
    Ein durchdringendes Klirren!
    Steven starrte auf den schmutzigen Boden der Bar, über den das Bier aus den zwei zerbrochenen Gläsern rann. Hinter ihm erklang die aufgebrachte Stimme des Wirtes:
    »Mark, was zum Teufel soll das? Wach auf!«
    Steven drehte sich um. Es war eine rein automatische Handlung, Teil seiner grenzenlosen Verwirrung. In diesem Augenblick hielt er sich nicht für den Angesprochenen, sondern dachte vage: Mark? Wer ist Mark?
    Ohne es ganz zu begreifen, las er die Spiegelschrift am Fenster der Kneipe: TIEHIERFNEGOBLLE.
    Augenblicke später, tief in seinem Innern schreiend und geistig noch Lichtjahre entfernt, wälzte er sich auf dem Boden der Kneipe und wehrte sich dagegen, den Rest seiner Tage auf den Namen Mark Bröhm zu hören.
     

 
2.
     
    Nie in seinem Leben hatte Steven mit seinen Gefühlen hinter dem Berge gehalten, egal in welche Verlegenheit er andere damit brachte. Nun begann er zu brüllen. Und er brüllte noch mehr, als einige der Gäste sich über ihn beugten. Verwirrt starrten sie einander an.
    »Er ist übergeschnappt«, erklärte einer kopfschüttelnd.
    Steven schrie noch lauter. Jemand rief die Polizei und gleich darauf die Sanitäter. Letztere kamen zuerst und hatten ihre liebe Not mit Steven, der ihnen seine Geschichte entgegenbrüllte und sich verzweifelt gegen eine Beruhigungsspritze wehrte, weil er fürchtete, daß man ihm damit das Wort abschnitt. Schließlich, nach Eintreffen der Polizei, hielten ihn zwei der Beamten fest, worauf man endlich vermochte, ihm die Injektion zu geben.
    Als er aufwachte (seiner Meinung nach nur Augenblicke später), fand er sich in einem sterilen weißen Zimmer wieder. Mit schriller Stimme erzählte er seinen
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