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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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mich wieder etwas beruhigt.
    »Gar kein schlechter Song, dieses ›Ewigkeit‹«, sagte ich zum Mandel, immer noch kurzatmig.
    »Geht so«, sagte der Mandel.
    Der Kretschmann ließ die hässliche Paula jaulen, während die Malleck sich einfühlsam an den Bartels lehnte, der jetzt nicht mehr Klavier spielte, sondern wieder ungerührt seinen Fender-Jazz-Bass. Ich hatte mich wieder beruhigt und dachte, was für ein Schmierentheater. Grotesk, dass mich ein Lied so mitnahm. Und einmal noch der Refrain und hinter dem Schlagzeug jetzt eine Art überdimensionale Dia-Schau mit Bildern vom Tilmann durch die Jahre. Der Tilmann früher mit grünem Irokesenschnitt, der Tilmann mit abrasierten Haaren, der Tilmann mit langen Haaren. Es war eine einzige Frisurenparade. Dann war die »Ewigkeit« vorbei.
    »Danke. Danke. Ihr seid toll«, sagte die Malleck und verteilte Kusshände ans Publikum. Sie sah mehr nach Rockstar aus als jeder andere in der Band. Sie konnte mit dem Licht spielen. Mit dem Publikum und mit dem Mikrofon, das sie in den Händen hielt wie Zügel. Eine letzte Ansprache noch für die Leute, für uns:
    »Bevor wir jetzt gehen«, sagte sie bedächtig, »noch ein letztes Wort. Viele haben Leo vorgeworfen, dass er sich verkauft hat. An die Medien, an den Erfolg. Dass ihn irgendwann nur noch der Jetset motiviert hat. Dass er abgehoben ist und sich entfernt hat von den Fans, die ihn groß gemacht haben. Leo war ein Lebemann, das weiß niemand besser als ich. Einer, der nie Nein zu einer guten Zeit sagen konnte. Aber im Herzen hat Leo immer die Musik getragen. Und egal, wie sehr Leo manchmal aus der Spur gekommen ist, im Grunde hat er das alles aus Liebe getan. Aus Liebe zur Musik und aus Liebe zu euch, die ihr ihm die Möglichkeit gegeben habt, sein Leben so zu leben, wie er es immer wollte. Ich glaube, es wäre in seinem Sinne, dass ich euch heute Nacht noch mal Danke von ihm sage. Danke, ihr Lieben.«
    Publikum in Richtung Raserei.
    »Und ich glaube auch, das hätte ihm gut gefallen, dass wir ihn heute Nacht so hochleben lassen«, lächelte die Malleck.
    »Ciao, Leo. Wir werden dich nie vergessen.«
    Ein Jubel, dass man denkt, die Regierung ist abgesetzt. Dann Licht aus, aber hinter dem Schlagzeug vom Schredder noch ein letztes Bild vom Tilmann und der Malleck. Sie sitzen auf der Rückbank eines Autos. Die Malleck in einem Hut mit Schleier. In einem weißen Kleid, weit ausgeschnitten. Sie lächelt verschämt. Neben ihr der Tilmann in einem weißen Anzug mit einer Flasche Champagner zwischen den Beinen und einer Zigarette in der Hand. Der Tilmann hat den Mund weit aufgerissen, als würde er schreien. Das war das bekannte Hochzeitsfoto, das damals auch in der Zeitung gewesen ist. Eine klassische Musik wurde eingespielt. Der Triumphmarsch aus Aida . Verdi, erkenn ich im Schlaf. Am Boden der Bühne das letzte matte Licht, damit man die Silhouetten der Band noch sehen konnte. Und die der Malleck, der heiligen Malleck. Trotz der peinlichen Ansagen eine Heilige heute Abend. Und alle Silhouetten bewegungslos im Verglühen des Bühnenbilds.
    Dann riss die Musik ab, und das Saallicht ging an. So grell, dass es wehtat. Die Band und die Malleck standen für eine Sekunde noch auf ihren Positionen, aber drehten sich dann erschrocken um. Vier Polizisten kamen über den seitlichen Eingang auf die Bühne. Dahinter der Winter in seinem dunkelblauen Anzug mit der grauen Krawatte. Frisur saß perfekt, das konnte man auf den Videoleinwänden sehen, die noch ein paar Bilder von der Bühne übertrugen. Zwei Polizisten zerrten den Schredder hinter dem Schlagzeug hervor, dann erloschen die Videoleinwände. Der Winter war beim Bartels und sagte ihm etwas ins Ohr. Die anderen Polizisten führten den Kretschmann ab, und der Bartels wurde vom Winter persönlich von der Bühne geleitet. Die Malleck stand ratlos alleine im Licht. Fünfzehntausend Leute blieben für ein paar ewig dauernde Sekunden ruhig, bis sich langsam, aber bedrohlich ein Tornado aus gellenden Pfiffen erhob. Sofort kamen die Roadies und begannen, das Zeug abzubauen.
    »Jetzt hatte der Winter ja doch noch seinen großen Auftritt«, sagte der Mandel.
    Jemand schaltete Musik in der Halle ein. Es war die Heaven And Hell von Black Sabbath. Eine klassische Tontechniker-Platte. Erster Song natürlich »Neon Knights« , nichts Besonderes bis auf das grandiose Tony-Iommi-Solo. Der Mann war ja eigentlich nicht für seine schnellen Soli bekannt, aber das war anspruchsvoll und eingängig
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