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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt
Autoren: Harry Hoff
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»Etwas ganz Neues«, sagte Redakteur Lynn zu seinem Besucher, dem jungen Schriftsteller Benno Hoggarth, »etwas ganz Ausgefallenes brauche ich als Roman für mein Blatt. Trauen Sie sich so etwas zu, lieber Hoggarth?«
    Hoggarth bediente sich aus dem Etui, das Lynn ihm hingereicht hatte. Bedachtsam steckte er eine Zigarette in Brand, saugte den Rauch tief und genußsüchtig ein und stieß einige blaue Ringe vor sich in die Luft.
    »Also keinen Liebesroman?« fragte er.
    Lynn klopfte mit einem Lineal auf den Tisch. »Etwas Liebe«, meinte er, »mag schon dabei sein, als Würze für meine Leserinnen. Aber das Hauptthema, wissen Sie – kurz, etwas ganz Besonderes, nie Dagewesenes muß das schon sein.«
    »Vielleicht eine spannende Kriminalhandlung?« schlug Hoggarth vor. Lynn wischte mit dem Lineal diesen Gedanken fort. »Nein«, rief er, »was sollte daran schon Neues sein?«
    »Nun – eine besonders originelle Idee!«
    »Gewiß – aber nicht kriminalistisch. Etwas ganz Eigenartiges will ich haben, das eine Welt umspannt, das überraschende Gedanken und Perspektiven eröffnet, – was jeden fesselt, ohne lediglich unterhaltend zu sein. Es soll zum Nachdenken anregen, hören Sie? Mag es auch eine Utopie sein – vieles ist schon den Menschen als Utopie erschienen, was später in den Bereich der Möglichkeit rückte und Tatsache wurde. Denken Sie an die Neuerungen, die uns das letzte Jahrhundert beschert hat: Die Dampfmaschine – das Flugzeug – das Radio – die Atomenergie. Wer hätte früher so etwas für möglich gehalten?«
    Hoggarth strich sich mit seiner schmalen, gepflegten Rechten das Haar zurück. »Jetzt verstehe ich«, sagte er, »Sie wünschen einen Zukunftsroman.«
    »Meinetwegen. Aber ich bitte Sie, einen solchen, der täglich wahr werden könnte.«
    Der junge Schriftsteller dachte einen Augenblick nach. Er sprang auf: »Ich hab's«, sagte er, »ein Gedanke, den ich schon lange mit mir herumtrage – dessen praktische Auswirkung, wenn sie möglich wäre – nein, sagen wir gleich: wenn sie möglich wird , ganz gewaltige Folgen auslösen muß.«
    In Lynns Blick kam ein freudiges Aufleuchten. »Ja – so etwas suche ich. Welches Thema meinen Sie aber?«
    »Es ist wirklich etwas Ausgefallenes, Lynn«, erwiderte Hoggarth, den Rest seiner Zigarette im Aschenbecher zerdrückend, »wenn ernste Probleme berührt werden dürfen –«
    »Ernste Probleme? Gewiß. Doch – darum möchte ich bitten – in einfacher, leicht verständlicher, flüssiger Art. Na – darin kennen Sie sich ja aus, Hoggarth. Nennen Sie mir das Thema jetzt!«
    Hoggarth lächelte: »Das möchte ich Ihnen vorläufig noch nicht preisgeben«, sagte er, »aber morgen bringe ich Ihnen den Anfang des Manuskriptes.«
    Lynn streckte dem jungen Menschen die Hand entgegen. »Das soll ein Wort sein, Hoggarth. Ich warte mit Spannung darauf.«
     
    Lynn hatte von Hoggarth den Anfang des Werkes erhalten. Er las:
     
    DIE GLÄSERNE WELT
    Roman von Benno Hoggarth
     
    Wilbur Taft stieß am Eingang der Villa ›Concordia‹ mit einem jungen Menschen zusammen, der dort sein elegantes Kabriolett eben verlassen hatte. Taft war dem Wagen schon eine Weile gefolgt.
    Der junge Mensch verhielt seinen Schritt, als er sich energisch am Arm gepackt fühlte. »Wer sind Sie? Was wollen Sie?« herrschte er seinen Verfolger an.
    »Sie sind im Begriff, einen Mord zu begehen, Mister Burns«, erwiderte Taft.
    Der junge Mann fuhr zusammen. Es war, als ob er plötzlich gelähmt sei. Seine nicht unsympathischen, etwas weichlichen Züge sahen verzerrt aus. Von seinen Mundwinkeln her zeichnete sich eine scharfe Furche ab, die bis zur Nasenwurzel verlief. Endlich stotterte er:
    »Ich – einen Mord? Sie sind wohl von Sinnen, Sir? Wenn Sie mich nicht auf der Stelle verlassen« – er stockte und blickte Wilbur herausfordernd an.
    »Kommt gar nicht in Frage«, erwiderte Taft, streckte die Hand aus und betätigte die elektrische Klingel. Ein Diener erschien.
    »Führen Sie mich zu Miß Burns!« sagte Taft und trat an den Diener vorbei ins Haus.
    »Ich frage noch einmal: Wer sind Sie? Was wollen Sie?« sagte der junge Burns erneut und hielt den Besucher zurück. Es entstand ein heftiger, lauter Streit zwischen den beiden Männern.
    Unversehens stand die dreiundsiebzigjährige Dame des Hauses dicht neben ihnen. »Was streitest du mit dem Herrn?« herrschte sie ihren Neffen an, »bitte bedenke, Orville, daß du in der Villa ›Concordia‹ bist. Oder weißt du nicht, daß Concordia
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