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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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vergingen in Zeitlupe, wie bei einem Unfall, wenn einem die Frontscheibe ganz still und im Detail entgegensplittert. Der schönste Unfall, den man sich vorstellen kann. Die Zehntelsekunden in Zeitlupe nutzte ich, um die Malleck zu mustern. Ich fing bei den Schuhen an. Halbhohe Lederstiefel in Grau, ein bescheidener Absatz. Die Unterschenkel vielleicht etwas kräftiger als beispielsweise bei einem Supermodel, aber immer noch zart auf ihre Weise. Dann das graue Nylon weiter nach oben in einer Grazie, dass man sich verbeugen wollte vor solch royalen Beinen. Die Sicht auf das Nylon endete an einem Jeansrock, knapp über dem Knie, das ein richtiges Knie war. Mit einer echten und deutlichen Kniescheibe, wie ich persönlich das mag. Hüfte übrigens auch deutlich breiter als beim Supermodel, aber keineswegs ordinär. Als Oberteil eine weiße Bluse mit hellblauen Bestickungen darauf. Oberkörper mittellang, der kleine Busen kaum zu erahnen, aber dann der Hals. Auf der ganzen Länge eine einzige Zärtlichkeit von der Genetik. Glatt wie eine Eisschnelllaufbahn und ans Kinn herangleitend wie … wie eine sanfte Mittelmeerwelle – eine am spitzen Kinn sich brechende Mittelmeerwelle. Die großen weißen Zähne, ein bisschen zu groß geratene Vorderzähne vielleicht, aber noch lange nicht wie bei einem Hasen. Die Nase präsent, aber nicht Himmelfahrt, gottseidank. Sanfter Knick nach unten eher. Augen weit, grün, rund, neugierig. Zum Hineinspringen und drin Baden und erst weit nach Bäderschluss Rauskommen aus dem von der Abendsonne noch warmen Wasser. Haare mittelblond, widerspenstig der auslaufende Pony, der sich anscheinend mit den langen Wimpern abgesprochen hatte. Insgesamt wie eine Best-of-Platte. Alle Hits waren drauf. Man konnte sich die Frau von vorne bis hinten anschauen. Es gab keine Füller, nur Killer. Ich riss mich zusammen, weil sonst selbst in Zeitlupe eine peinliche Situation entstanden wäre. Wenn man jemanden so anstarrt.
    »Guten Morgen«, sagte die Malleck.
    »Guten Morgen«, sagte der Mandel und lächelte, wie ich ihn nicht mehr lächeln gesehen habe, seit das Management von Emily Haines damals im Verlag angerufen und ausdrücklich drauf bestanden hatte, dass der Mandel und nur der Mandel das einzige Interview in Deutschland machen darf. Jetzt hatte die Plattenfirma meiner Meinung nach das Interesse an Emily Haines in Deutschland total überschätzt, aber der Mandel war natürlich schon lange ein Bewunderer gewesen, und das hatte nicht nur mit ihrer Musik zu tun. Der Mandel ist dann sogar noch in einer Bar mit ihr gesessen, aber mehr hat er nicht erzählt.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Schön, dich mal wiederzusehen, Max«, sagte die Malleck.
    »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Veronika«, sagte der Mandel, ein bisschen zu staatsmännisch.
    »Wir kennen uns ja auch vom Sehen«, sagte die Malleck zu mir. Für meinen Geschmack hätte sie das ruhig etwas konspirativer sagen können.
    »Setz dich doch«, sagte der Mandel und schob einen Klappstuhl aus Plastik an den schönen Kugelhintern der Malleck. Dabei warf er mir einen Blick zu, der vielleicht so etwas bedeutete wie: Hättest ja nicht unbedingt den billigsten Plastikstuhl kaufen müssen.
    »Du bist jetzt also Detektiv«, sagte die Malleck, offensichtlich meinte sie jetzt wieder den Mandel.
    »Ermittler. Wir sind ein Ermittlungsbüro«, antwortete ich für den Mandel.
    »Aha, wo ist der Unterschied?«, fragte die Malleck und verlor zu keinem Zeitpunkt ihr vertrauensseliges Lächeln. Als hätte sie uns eine Ewigkeit nicht gesehen und uns innerhalb jener Ewigkeit aber ernsthaft vermisst.
    »Da ist natürlich keiner. Ermittler ist nur der zeitgemäßere Begriff«, antwortete der Mandel.
    »Ich finde ja, ›Detektiv‹ klingt besser. Nach Abenteuer und Whiskey.«
    »Ach so, was willst du trinken? Whiskey oder lieber einen Kaffee?«
    Und noch während ich das sagte, ärgerte ich mich, weil ich mich damit selbst in die Küche abkommandiert hatte, während der Mandel die unverbaute Aussicht auf die Malleck genießen konnte.
    »Gerne einen Kaffee. Auf den Whiskey komm ich zurück, Sigi«, lachte mich die Malleck an. Das war mein Vorname, und die Malleck wusste ihn.
    »Was können wir denn für dich tun, Veroni? Woher weißt du eigentlich, dass wir jetzt hier sind?«, hörte ich den Mandel sagen. Das »Veroni« ist zu jovial, dachte ich beim Kaffeekochen. So gut kennen die sich doch gar nicht.
    »Das hat sich schnell herumgesprochen in der Stadt. Dass ihr jetzt
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