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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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Nordufer. Vielsagend ins Nichts schauen. Das konnte sie richtig gut.
    Der Mandel sagte natürlich auch nichts, weil ihm das Elend von anderen Leuten immer schon viel zu viel war, und so sprang ich ein:
    »Du bist doch nicht ungerecht. Wenn der sich nicht im Griff hat, dann ist er ein Versager, dein Leo.«
    Und ich gebe zu, dass es da ein bisschen mit mir durchgegangen ist, weil ich den Tilmann immer schon für einen aufgeblasenen Wichtigtuer gehalten habe, der mit seinem Pseudopunkrock schon zehn Jahre zu lang dieses Land verblödet hat und der dank seiner allzu durchschaubaren Rolle als Everybody’s Enfant terrible mittlerweile selbst in Filmen angesehener Regisseure mitspielen durfte. Und die Belohnung für all sein kulturelles Unwesen war am Ende die Malleck. Und als ich das mit dem Versager sagte, war dann eben nicht nur die Missgunst – die geb ich gerne zu – , sondern auch der gerechte Zorn mit mir durchgegangen. Der Mandel schaute mich vorwurfsvoll an. Die Malleck traurig.
    »Nein, nein, das ist er nicht. Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich liebe den Leo. Immer noch. Weil er im Prinzip ein hilfloses Kind ist. Aber ich habe meinen Stolz. Und meine Pläne. Und die sind mit dem Leo nicht mehr zu verwirklichen.«
    Die Malleck klang jetzt nicht mehr wie der automatische Anrufbeantworter, ihre Stimme war wieder sanft und melodiös. Sie wartete, bevor sie ihren nächsten Satz sagte. Wir alle warteten.
    »Ich habe einen Ehevertrag mit dem Leo geschlossen. Nach unserer ersten großen Krise. Kurz nach der Hochzeit.«
    Und noch eine Kunstpause von der Malleck.
    »So ein Ehevertrag«, sagte die Malleck, »ist sicher nicht das, was man sich unter einem romantischen Liebesversprechen vorstellt. Der Holger, mein Anwalt, hat mir damals dazu geraten. Ich dachte nicht, dass der Leo zustimmen würde, aber er hat sofort unterschrieben. Der war da total unkompliziert.«
    »Hm«, machte der Mandel.
    »Und jetzt sind wir halt am Ende, so was passiert in einer Ehe. Die besten Pärchen haben sich irgendwann auseinandergelebt. Und es heißt auch nicht, dass wir uns nicht mehr mögen. Aber was eben nicht sein muss, ist, dass man sich in meiner Branche erzählt, der Leo treibt’s nach dem Konzert mit einer aus dem Publikum, der Leo treibt’s mit der Lufthansa-Stewardess auf dem Flug nach Köln. Das muss nicht sein. Der Leo tut, als wäre er gerade aus der Pubertät gekommen und hätte endlich keine Pickel mehr. Es ist eh ein Wunder, dass die Zeitung noch keine Fotos, keinen Artikel hat. Kein Handyvideo. Jeden Tag, wenn morgens das Telefon klingelt, denke ich, es ist der Holger, der mir sagt, dass jetzt alles offenliegt. Diese Demütigung vor den Augen der Leute. Und ich steh da wie das naive Heimchen am Herd, während der große Herr Rockmusiker sich durch alle Bundesländer vögelt.«
    Die Malleck zog am schmorenden Filter ihrer ehemaligen Zigarette.
    »Die Zigarette«, sagte ich.
    Der Mandel nahm der Malleck den Filter aus der Hand und warf ihn in den Aschenbecher.
    »Das ist alles eine hässliche Angelegenheit, ich weiß. Das wirft auch kein gutes Licht auf mich, dass ich jetzt zu euch komme. Und es ist auch kein schöner Job für euch.«
    Die Malleck rieb sich die Hände mit einer Creme aus ihrer Handtasche ein und lächelte mich an. Beeindruckend, wie sie zwischen den Tonalitäten hin- und herschalten konnte. Aber gut, Schauspieler, was erwartet man.
    »Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, wie wir, also was wir jetzt für dich tun können«, sagte der Mandel.
    »Dazu wär ich doch jetzt gleich gekommen«, lachte die Malleck und umfasste dabei mit ihren langen Fingern das Handgelenk vom Mandel. Gottseidank kurze Fingernägel. Ich flippe aus bei langen Fingernägeln. Selbst eine wie die Malleck würde ich dafür auspeitschen lassen.
    »Ich will nicht lange drum herumreden. Ich will Fotos, die den Leo beim Fremdgehen zeigen, dann geh ich damit zu Holger, und der leitet alles Weitere in die Wege. Ich lass mich scheiden, der Leo bekommt nichts mehr von meinem Geld, die Presse bekommt keine schmutzigen Geschichten, und wir sagen, wir haben uns auseinandergelebt. Ich bin ein Miststück, oder?«
    Jetzt schaute sie uns todernst an. Erst den Mandel und dann mich. Schwer zu sagen, ob sie kokettierte. Überhaupt schwer zu sagen, was wirklich in ihr vorging. Ihr bisheriger Auftritt hätte genauso gut in einem Drehbuch stehen können mit den ganzen Tempo- und Tonartwechseln. Aber vielleicht tat man Schauspielern auch Unrecht,
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