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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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eigenen Schlüsse ziehen. Ich sage, das war sicher das Zweitbeste, was der Mandel aus seiner Liebe zur Musik hat machen können. Und am Ende hat ihm das gereicht, weil der Mandel ist, wie gesagt, im Grunde ein genügsamer Mensch, damit hier kein falscher Eindruck entsteht. Nur jetzt hatte man ihm mit dieser Kündigung seine gesamte Existenzgrundlage entzogen, und da wunderte es mich nicht, dass er plötzlich Mini-Peilsender bestellte.
    Ich gab bei Google »Veronika Malleck nackt« ein. Das heißt, ich wollte »Veronika Malleck nackt« eingeben, aber irgendwie überlegte ich es mir bei dem »na« anders und gab »Veronika Malleck nazi« ein. Das war nicht so weit hergeholt, wie man vielleicht denkt, denn die Malleck drehte gerade eine große Produktion als Eva Braun unter dem Titel Die Braut . Produktion und Regie von dem Deininger, diesem Filmmogul. Den Hitler spielte natürlich der Dominik Mommsen, den ich neulich noch als Andreas Baader im Fernsehen gesehen hatte. Meine Suchanfrage brachte die üblichen Vorberichte, Artikel zu den Dreharbeiten und ein Interview mit ihr, in dem sie gefragt wurde, inwiefern sie moralisch Stellung zu der Rolle bezieht. Es war das übliche Geschwafel von Schauspielern, dass, wenn man sich ganz in der Rolle befindet, man sich keine moralische Distanz erlauben kann und so weiter. Derlei Blödsinn erzählen Schauspieler immer dann, wenn sie Nazis spielen. Nichts gegen die Malleck an sich, aber Schauspieler in historischen Rollen verwechseln sich hin und wieder mit Intellektuellen und fangen plötzlich an, über Gott und die Welt zu philosophieren wie ich mit sechzehn im Irish Pub. Damals hielt ich meine Ansichten und meine Meinung über Single Malt Whiskey auch für ziemlich relevant.
    Es gab jedoch einen ganz anderen Artikel, der mich interessierte. Aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 12. Januar dieses Jahres. Er lautete:
    das herz am rechten fleck
    Wie Neonazis die Schauspielerin
Veronika Malleck feiern
    Der Film heißt Die Braut – fast könnte man ihn auch Die Schauspielerin nennen. So viel wird derzeit über die Verwandlung der ehemaligen Moderatorin in die späte Ehefrau der Nazi-Bestie Hitler geschrieben, dass die historische Eva Braun fast gänzlich in den Hintergrund gerückt ist.
    Womöglich ahnte die 34-jährige Veronika Malleck, dass sie nicht nur ihre schauspielerische Leistung, sondern ihre gesamte Persönlichkeit in die Waagschale werfen muss, um dem Medieninteresse an Deiningers neuester Großproduktion gerecht zu werden. Dass ihre Persönlichkeit aber nicht nur von der filminteressierten Zunft und dem Kinopublikum, sondern auch vom extrempolitischen Lager beurteilt werden würde, hat sie wahrscheinlich so nicht erwartet.
    Ihre Verpflichtung für die Rolle der Eva Braun erfreute sich jüngst bei einer vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung namens »Die Kulturfreunde des Nordens« großen Zuspruchs. Der Verein ließ auf seiner Website wissen: »Veronika Malleck dürfte wohl als die ideale Besetzung für die Ehefrau des Führers gelten, nicht zuletzt ihr tadelloses Äußeres spricht dafür, sondern auch das vorbildliche Engagement ihres in Freundschaft verbundenen Anwalts Holger Edelstein in der Causa Torsten G. …

Drei

    Der Mandel, und das weiß ich, weil er es mir im Nachhinein erzählt hat, saß ungefähr zur selben Zeit bei dem Produktmanager und A&R von DEMO : Karsten Urbaniak, schon im Sitzen ein Riese. Graublonde Locken, halber Vollbart, Designerbrille, hellblaues Hemd, eins neunzig und dazu noch dick. Eine Präsenz war er, der Urbaniak, da brauchen wir nicht zu diskutieren. Der Mandel kannte den Urbaniak noch von früher, als er Pressepromoterpraktikant bei Global Records gewesen war. Der Urbaniak, nicht der Mandel. Damals noch mit Ziegenbart und Pearl-Jam-T-Shirt. Jetzt aber Produktmanager und A&R, irgendwo knapp unter dem Chef für Domestic, was so viel heißt wie nationale Musik. Diese Branche hatte sich ja früher als andere in Deutschland blödglobalisiert und mitgeholfen, die einst umgangssprachliche Kommunikation zwischen Journalisten und Plattenfirmen durch Anglizismen zu sterilisieren. Der Urbaniak war schon immer einer von der neuen Generation gewesen, einer, dem Leidenschaft für Musik per se suspekt war, der das Geschäft, den Umsatz als die einzige Legitimierung überhaupt für einen künstlerischen Beruf sah. Einer von diesen karrierebewussten Kulturwirtschaftlern, für die »über Leichen gehen« keine moralische Anschuldigung
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