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Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Titel: Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
Autoren: Thomas Nagel
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Kapitel 2
Der Antireduktionismus und die Ordnung der Natur
1
    Der Konflikt zwischen dem wissenschaftlichen Naturalismus und den verschiedenen Formen des Antireduktionismus ist ein gängiges Thema der jüngeren Philosophie. Auf der einen Seite steht die Hoffnung, dass sich auf der grundlegendsten Ebene alles von den physikalischen Wissenschaften unter Einschluss der Biologie erklären lässt. [1] Auf der anderen Seite gibt es Zweifel daran, ob die Realität solcher Charakteristika unserer Welt wie Bewusstsein, Intentionalität, Bedeutung, Zweck, Denken und Wert in einem Universum berücksichtigt werden kann, das auf der elementarsten Ebene nur aus physikalischen Tatsachen besteht – Tatsachen des Typs, wie sie, ganz gleich wie anspruchsvoll, von den physikalischen Wissenschaften aufgedeckt werden.
    Ich werde die Ausdrücke »Materialismus« oder »materialistischer Naturalismus« verwenden, um von der einen Seite dieses Konflikts zu sprechen, und den Ausdruck »Antireduktionismus« gebrauchen, wenn von der anderen Seite die Rede sein soll, auch wenn diese Bezeichnungen ziemlich grob sind. Die Versuche, das materialistische Weltbild als eine potenziell vollständige Darstellungdessen, was da ist, zu verteidigen, nehmen viele Formen an, und nicht alle von ihnen beinhalten eine Reduktion in dem gewöhnlichen Sinne, den wir etwa mit der Analyse mentaler Begriffe unter behaviouristischem Aspekt oder der wissenschaftlichen Gleichsetzung mentaler Zustände mit Gehirnzuständen verbinden. Viele materialistische Naturalisten würden ihre Auffassung nicht als reduktionistisch beschreiben. Aber für diejenigen, die die Angemessenheit einer solchen Weltanschauung bezweifeln, wirken die verschiedenen Versuche, den Geist und verwandte Phänomene darin unterzubringen, allesamt wie Versuche, den wahren Umfang der Realität auf den Umfang einer gemeinsamen Basis zu reduzieren, die für diesen Zweck nicht ergiebig genug ist. Daher kann der Widerstand dagegen als Antireduktionismus zusammengefasst werden.
    Normalerweise ist die Tendenz dieser antireduktionistischen Zweifel negativ. Sie laden zu der Schlussfolgerung ein, dass es manche Dinge gibt, die die physikalischen Wissenschaften allein nicht vollständig erklären können. Dazu werden vielleicht andere Formen des Verstehens benötigt, oder es ist eben mehr dran an der Realität, als es selbst eine vollendet entwickelte Physik zu beschreiben vermag. Wenn die Reduktion in einer gewissen Hinsicht versagt, offenbart dies eine Grenze für die Reichweite der physikalischen Wissenschaften, die deshalb zur Erklärung der fehlenden Elemente mit etwas anderem ergänzt werden müssen. Die Situation könnte aber auch noch ernster sein. Wenn man an der Reduzierbarkeit des Geistigen auf das Physikalische Zweifel hegt und desgleichen an der Reduzierbarkeit aller anderen Dinge, die mit dem Geistigen einhergehen, wie etwa Wert und Bedeutung, dann gibt eseinigen Grund, daran zu zweifeln, ob ein reduktiver Materialismus auch nur in der Biologie anwendbar ist. Und deshalb gibt es auch Anlass zu zweifeln, ob der Materialismus überhaupt eine angemessene Darstellung von der physikalischen Welt geben kann. Ich möchte die Argumente für diesen Zusammenbruch untersuchen und überlegen, ob im Anschluss daran irgendetwas Positives im Sinne einer Weltanschauung vorstellbar ist.
    Wir und andere Geschöpfe mit einem geistigen Leben sind Organismen, und unsere geistigen Fähigkeiten hängen offenkundig von unserer körperlichen Konstitution ab. Was die Existenz von Organismen wie uns erklärt, muss also auch die Existenz des Geistes erklären. Wenn das Geistige für sich genommen aber nicht bloß physikalisch ist, dann kann es von der physikalischen Wissenschaft nicht vollständig erklärt werden. Und dann ist es schwierig, die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass jene Aspekte unserer physischen Konstitution, die das Geistige mit sich bringen, ebenfalls nicht zur Gänze von der physikalischen Wissenschaft erklärt werden können, wie ich argumentieren werde. Wenn die Evolutionsbiologie eine physikalische Theorie ist – als die sie generell aufgefasst wird –, dann kann sie das Auftreten des Bewusstseins und anderer Phänomene, die nicht physikalisch reduzierbar sind, nicht erklären. Wenn also der Geist ein Produkt der biologischen Evolution ist – wenn Organismen mit geistigem Leben keine wundersamen Anomalien, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Natur sind – , dann kann die Biologie keine rein
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