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Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me

Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me

Titel: Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
Autoren: Hallie Ephron
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    W enn es nach Diana gegangen wäre, hätte es richtiges Wetter gegeben. Regen, Schnee und ab und zu einen ordentlichen Orkan. Das Klima allerdings gehörte zu den Dingen, die sie in dieser Welt mit dem ewig strahlend blauen Himmel nicht beeinflussen konnte. Ihre Umgebung hingegen hatte sie selbst gestaltet: die Nachbildung einer Landschaft in den Schweizer Alpen am Fuße des Wasserfallkamins mit der Nordwand des Eiger, der sich dahinter zu einem gewaltigen Massiv erhob.
    Nadia, Dianas Alter Ego in der virtuellen Realität von OtherWorld , stand winzig klein und kaum erkennbar am Fuß einer Kaskade aus gefrorenem Wasser, die sich vor dem fast senkrecht abfallenden Fels dramatisch in Szene setzte. Diana zoomte näher an ihren Avatar heran: Er trug eine topmodische Wrap-Around-Sonnenbrille, eine hautenge Lederjacke mit Reißverschluss und hochgestelltem Kragen, Röhrenjeans, rote Stiefel und eine rote Schirmkappe. Keine Minute hätte sie es in diesem Outfit in den realen Schweizer Alpen ausgehalten. Die bittere Kälte färbte selbst das kleinste unbedeckte Fleckchen Haut erst rosa, dann rot und schließlich weiß. Diana dachte an die Stille zurück, nur unterbrochen vom Geläut der Kuhglocken und von Stimmen, die wie Nebelschwaden vom Tal zu ihr emporgestiegen waren.
    Der Wasserfallkamin war so gut wie unbezwingbar gewesen – jedes Einschlagen des Eispickels oder eines Steigeisens konnte Eisstücke absprengen, die dann in Splittern auf nachfolgende Kletterer hinabstürzten. Ein ganz besonderer Reiz, der den Nervenkitzel noch prickelnder gemacht hatte.
    Mit einer winzigen, kaum wahrnehmbaren Bewegung drehte Diana ihre 3-D-Maus mit dem überdimensionierten Trackball, um den Blickwinkel neu auszurichten und die malerische Landschaft in sich aufzunehmen, die Nadia umgab. In dieser Version der Realität musste man nicht Tage warten, bis sich die Wolken endlich verzogen. Binnen weniger Sekunden hatte das Vektorgrafikprogramm seine Berechnungen beendet und den Gipfel des Eiger freigegeben.
    Diana verschob den Blickwinkel nach unten. Sie wusste, dass die Realität künstlich war, ein Ort, den sie selbst geschaffen hatte, aber dennoch verspürte sie ein mulmiges Gefühl, und sie erschauderte, als sich die vereisten Gletscherspalten unter ihr auftaten. Sie zwang sich hinzusehen, und die kaum verheilte Wunde riss erneut auf, als sie sich das Echo von Daniels letzten Schreien ins Gedächtnis rief. Sie streckte die Hand aus und legte ihre zittrigen Finger auf den Rahmen des Computermonitors. Es wirkte beruhigend, den Rand des Bildes mit den Fingern zu berühren.
    Diana war zurückgekommen, Daniel nicht.
    Sie bewegte die Maus und drückte die Leertaste. Nadia erhob sich in die Luft, landete auf einem schmalen Vorsprung ein wenig unterhalb des Gipfels und starrte hinaus in die Leere. Mit verschränkten Armen saß Diana an ihrem Schreibtisch und zog die Schultern hoch, um gegen den Schmerz anzukämpfen, der in ihrem Herzen pochte.
    Ein lautes Ping kündigte den Eingang einer Nachricht in einer Ecke des Bildschirms an.
    Jake: Bist du da?
    Wo sollte sie sonst sein? Diana klickte die Nachricht weg. In einer Ecke am unteren Bildschirmrand zählte eine Uhr die Zeit herunter und erinnerte sie so an das Meeting, das mit MedLogic angesetzt war. Keine zwanzig Minuten blieben ihr noch. Was immer Jake von ihr wollte, musste warten.
    Diana gab /bete in die Tastatur ein. Ein einzelnes Cello stimmte den Kanon von Pachelbel an, ihr Avatar fiel auf die Knie und neigte den Kopf. Wehmütig und würdevoll begann nun eine Geige die Tonleiter hinabzuschreiten. Weitere Geigen kamen hinzu, während die Melodie lebhafter wurde. Die Stimmen verwoben sich und wirbelten umeinander.
    Diana legte ihre gespreizten Finger auf den Bildschirm. Ruhe in Frieden . Die Worte wiederholten sich in ihrem Kopf wie der Gesang zur Musik.
    Ein diskretes Signal machte sie darauf aufmerksam, dass das Meeting in fünfzehn Minuten beginnen würde. Mit wenigen Klicks war Nadia zu Hause. Pixel für Pixel baute sich ein virtueller Raum um sie herum auf, der bis ins kleinste Detail Dianas realem Arbeitszimmer in dem Haus in einem Bostoner Vorort entsprach, in dem sie aufgewachsen war. Sogar der farbenfrohe peruanische Webteppich hing an der Wand. Aber Nadias »Arbeitszimmer« war viel ordentlicher, und die Pflanzen, die darin standen, waren nicht braun, sondern grün.
    Diana schickte Jake eine kurze Nachricht, um ihm mitzuteilen, dass sie bereit sei. Rasch nahm sie eine letzte
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