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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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den zweien«, sagte der Mandel.
    »Ach ja?«, sagte ich, obwohl ich die Bewandtnis jetzt nicht so besonders fand. In dem Moment gingen die großen Videoleinwände links und rechts neben der Bühne an, vermutlich zu Testzwecken. Sie zeigten die Bühne in Nahaufnahmen. Der Mann, den der Mandel meinte, hatte keine Haare und einen äußerst symmetrischen Bart um den Mund herum. Olivgrüne Armeehose und ein schwarzes T-Shirt. Er kam mir bekannt vor. Die Videoleinwände gingen wieder aus.
    »Der kommt mir bekannt vor«, sagte ich zum Mandel.
    »Vielleicht hast du ihn auf dem Konzert im Kunstpalast gesehen«, sagte der Mandel.
    »Nein, nein, ganz und gar nicht. Weißt du, woher ich den kenne? Der war bei der Eva-Braun-Demo in Babelsberg.«
    »Bei welcher Eva-Braun-Demo in Babelsberg?«
    »Hatte ich das nicht erzählt? Ich war doch zufällig bei der Malleck auf dem Filmset, und da …«
    »Zufällig.«
    »Mehr oder minder zufällig, aber ist doch egal jetzt. Ich war also da, und da hat so ein Auflauf von Idioten demonstriert, und der Roadie, der Kurzhaarige, das war einer der Bannerträger. Jetzt weiß ich es wieder genau: Eva Braun – Deutschland bleibt dir treu stand drauf. Ich seh’s jetzt genau vor mir.«
    Der Mandel riss den Mund auf. Und machte ihn wieder zu.
    »Das gibt’s doch nicht. Sigi, weißt du, was das heißt?«
    »Dass es eine rechte Roadieszene gibt?«
    »Depp. Das heißt, dass der Neumann einen seiner Lakaien in die Kreise der Band eingeschleust hat. Gegenspionage. Oder Schlimmeres als nur Spionage. Auftragsmord.«
    »Aber wenn doch nur die DNA -Spuren der Bandmitglieder gefunden wurden?«
    »Umso besser für den Neumann. Vielleicht hat sich der Roadie ein T-Shirt vom Bartels genommen oder einen vom Schredder seinen Schlagzeug-Handschuhen. Oder tatsächlich den Fender-Jazz-Bass.«
    »Fuck«, sagte ich. »Das wär ja ein Ding.«
    »Wir sagen das jetzt dem Winter, solange das Konzert noch nicht angefangen hat. Vielleicht überlegt er sich das noch mal mit der Schredder-Verhaftung«, befahl der Mandel.
    Ich wollte etwas entgegnen, aber da ging das Licht aus, und die Leute kreischten, als wäre das der letzte Tag auf Erden. Dann ging ein rotes Licht am hinteren Ende der Bühne an und umrahmte eine Projektion hinter dem Schlagzeug. Ein Bild vom Tilmann wurde sichtbar. In tiefes, stilles Rot getaucht in einer Fotografie, wie er schweißgebadet in ein Mikrofon schreit. Dann wurde seine Stimme eingespielt. Die Aufnahme stammte vielleicht aus einem alten Interview.
    »Ich hab schon vor, ewig zu leben«, lachte der Tilmann auf Band. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, jemals mit der Musik aufzuhören. Und die Leute da draußen lassen mich ja auch gar nicht.« Er lachte wieder. Dann machte die Aufnahme einer Gitarrenrückkopplung Platz, und der Kretschmann kam auf die Bühne, seine hässliche honiggelbe Les-Paul-Gitarre in der Hand. Ich weiß, ich weiß, die Les Paul ist ein Klassiker, und Gott und die Welt spielt diese Gitarre. Und es gibt Menschen, die nennen sie liebevoll »Paula«. Menschen, die immer wieder betonen, wie wichtig diese Gitarre für die Rockmusik ist, wegen Steve Hackett, Jimmy Page und Jeff Beck und zu allem Überfluss Slash. Und den Menschen sage ich immer wieder, dass diese Gitarre hässlich und schwer wie ein Felsbrocken ist und dieses Gedröhne von den Humbuckern jegliche Nuance im Akkordspiel verhindert. Selbst für Metal ist die noch zu breiig. Aber sie sterben nicht aus, die Les-Paul-Anhänger.
    Auf den Kretschmann mit der Les Paul folgte der Kai Bartels mit seinem weißen Fender-Jazz-Bass und einem weißen Hemd. Er spielte ein tiefes E, und der Kretschmann fing an, irgendetwas zu dudeln. Kein Schredder. Das rote Licht hinter dem Schlagzeug wurde schwächer, der Tilmann zur Silhouette.
    »Schön, dass ihr da seid«, sagte der Kai Bartels und streckte seinen Bass in Richtung der Leute. Die schrien sowieso weiter, egal, was der Kai Bartels sagte. Noch immer kein Schredder. Der Mandel war aufgestanden, aber nicht, um seinen Respekt vor der Band zu bekunden. Ich glaube, er sah sich nach dem Winter um. Der saß drei Reihen weiter hinten und nickte uns selbstgefällig zu. Dann schaute ich wieder auf die Bühne. Immer noch kein Schredder. Aber am Bühnenaufgang stand Lana, wenn ich das richtig sah. Und jetzt kam auch der Schredder. Sie umarmte ihn kurz, und er schlich zu seinem Schlagzeug. Jemand schaltete die Schlagzeugbeleuchtung ein, und der Schredder tauchte kurz über den Burgzinnen auf.
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