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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 03. Sturmwind der Zaertlichkeit
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Stiefel, die denen eines Landstreichers Ehre gemacht hätten. Die zobelbraunen, wunderschönen Locken hielt sie unter einer großen Wollmütze verborgen, die sie tief über Stirn und Nacken gezogen hatte.
    Georgina sah erbärmlich aus in ihrer Verkleidung. Dafür hob sie sich aber kaum von dem übrigen Hafengesindel ab, im Gegensatz zu Mac, dessen Kleidung zwar nicht übermä-
    ßig elegant, doch von deutlich besserer Qualität als die der Seeleute war - zumindest bis zum Auftauchen der beiden aufgeputzten Stutzer.
    Augenblicklich erstarb jegliches Gespräch in der Kneipe und machte einer bedrohlichen Stille Platz. Georgina wagte nur leise zu wispern.
    »Was ist los?«
    Statt einer Antwort knuffte Mac sie in die Seite und bedeutete ihr, still zu sein. Gespannte Sekunden vergingen, bis die anderen Kneipengäste die Neuankömmlinge taxiert hatten.
    Schon bald aber beschlossen sie, daß es wohl besser wäre, diese Herren zu ignorieren und weiterzuzechen. Sie nahmen ihre Gespräche wieder auf, und die gewohnte Lautstärke stellte sich alsbald wieder ein. Mac warf einen Blick auf Georgina, die, um nicht aufzufallen, mit gesenktem Kopf in ihren Bierkrug starrte.
    »Es is' nich' unser Mann, nur zwei Adlige, ihrem Aufzug nach zu urteilen. Die scheinen sich wohl in der Adresse geirrt zu haben.«
    »Hab ich nicht immer gesagt, diese Typen wissen vor lauter Arroganz nicht wohin damit?« zischte Georgina leise.
    »Schon immer?« grinste Mac. »Mir scheint, eher erst seit sechs Jahren!«
    »Vorher ist es mir eben nicht so aufgefallen«, gab Georgina schnaubend zurück.
    Mac konnte sich ein Lachen gerade noch verkneifen. Dieser gehässige Ton und diese dreiste Lüge! Der Groll, den Georgina gegen alle Engländer hegte, weil sie ihr damals ihren geliebten Malcolm genommen hatten, war auch nach dem Kriege nicht verraucht und würde anhalten, bis sie diesen Burschen zurückhatte. Sie trug ihren Haß im Herzen und verbarg ihn nach außen hinter vornehmer Zurückhaltung -
    glaubte sie jedenfalls. Ihre Brüder hatten immer laut und öffentlich gewettert und die Ungerechtigkeiten der Engländer gegenüber den Amerikanern angeprangert. Und das nicht erst seit Ausbruch des Krieges, sondern schon lange vorher, als ihr Außenhandel von der englischen Blockade der europäischen Häfen betroffen gewesen war. Wenn irgend jemand schlecht über die Engländer dachte, dann die Gebrü-
    der Anderson! Seit über zehn Jahren schon hatte Georgina sie von den Engländern nur als den »arroganten Schweine-hunden« reden gehört, sich aber nicht weiter darum gekümmert; höchstens dann und wann einmal beifällig Einverständnis genickt. Seit sie jedoch von der britischen Willkür, durch die gewaltsame Requirierung ihres Verlobten, persönlich betroffen gewesen war, änderte sich ihr Verhalten. Sie war zwar nicht so aufgebracht wie ihre Brüder, doch ließ sie an ihrer Abneigung und Verachtung allem Englischen gegenüber keine Zweifel offen.
    Georgina spürte Macs Belustigung, auch ohne sein grinsendes Gesicht zu sehen. Am liebsten hätte sie ihm kräftig gegen sein Schienbein getreten. Hier saß sie nun, zitternd und zu verängstigt, um ihren Kopf zu heben und bedauerte insgeheim ihre eigene Sturheit, die sie hierher in dieses verdammte Höllenloch geführt hatte. Und dieser Kerl fand auch noch irgend etwas hier amüsant! Sie war nahe daran, einen Blick auf diese eitlen Fatzken zu werfen, die zweifellos bis zum Halse in buntem Flitter steckten. Sie kam gar nicht auf den Gedanken, daß Mac sich über sie selbst lustig machen könnte.
    »Erinnerst du dich zufällig an Willcocks, Mac, der Grund unseres Hierseins? Wenn es dir nicht allzuviel ausmachen ...«
    »Nur nicht schnippisch werden!« tadelte er leise.
    Sie seufzte. »Verzeih mir, ich hoffe doch nur, daß dieser Kerl bald auftaucht. Bist du sicher, daß er nicht schon längst hier ist?«
    »Ich sehe viele seltsame Gestalten hier rumsitzen, aber keinen kleinen, untersetzten Kerl im Alter von fünfundzwanzig, mit flachsblonden Haaren und einer Warze auf der Unterlippe. So einer dürfte wohl schwerlich zu übersehen sein!«
    »Und wenn diese Beschreibung gar nicht stimmt?« überlegte Georgina.
    Mac zuckte mit den Achseln. »Das is' alles, was wir haben, und besser als nichts. Wir können ja schlecht von Tisch zu Tisch gehen und ... Gütiger Gott, deine Locken, Mäd ...«
    »Pssst«, zischte Georgina, bevor er weitersprechen konnte und stopfte ihre Locken wieder unter die Wollmütze.
    Dabei war
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