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Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles
Autoren: Georges Simenon
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abgeschlossen. Wie haben Sie die Dinge in notarieller Hinsicht geregelt?«
    »Das Testament wird heute Nachmittag um drei eröffnet. Ich kenne den Inhalt ungefähr, denn ich habe als Zeuge firmiert. Madame Sabin-Levesque erbt das Vermögen, die Villa in Cannes und die Gewinne aus der Kanzlei... Über meinen Fall wird die Notariatskammer befinden... Denn der Chef hat verfügt, dass ich sein Nachfolger werde...«
    »Ein weiterer wichtiger Punkt wäre noch zu regeln, nämlich das Begräbnis.«
    »Ich weise Sie darauf hin, dass die Familie ein Grab auf dem Montparnasse-Friedhof besitzt.«
    »Damit ist die Sache klar. Ich denke, es geht nicht an, den Sarg am gerichtsmedizinischen Institut abzuholen und direkt zum Friedhof zu bringen. Madame Sabin- Levesque ist nicht in der Lage, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man den Toten oben in der Wohnung aufbahrt.«
    »Warum nicht im Büro?«
    »Daran habe ich auch gedacht. Würden Sie das Nötige veranlassen?«
    »Ich werde jetzt gleich ein Beerdigungsinstitut anrufen. Was die Traueranzeigen betrifft, denke ich, dass man allen Klienten eine schicken sollte, oder?«
    »Das denke ich auch. Ganz abgesehen von einer Todesanzeige in den Zeitungen. Apropos, haben die Journalisten Sie nicht überfallen?«
    »Ein gutes Dutzend ist hiergewesen. Sie haben indiskrete Fragen gestellt, und ich habe sie hinausgeworfen. Zwei von ihnen haben mich sogar gefragt, wie groß das Vermögen des Notars sei...«
    »Halten Sie mich auf dem laufenden, was das Begräbnis betrifft, aber sorgen Sie dafür, dass Madame Sabin-Levesque nicht belästigt wird.«
    »Wird sie nicht in die Kirche kommen?«
    »Ich glaube nicht. Das kommt auf den Arzt an.«
    Da er schon mal im Haus war, ging Maigret in die Wohnung hinauf, immer gefolgt von Lapointe. Claire öffnete die Tür.
    »Ich hatte drunten zu tun und wollte fragen, ob alles in Ordnung ist.«
    »Sie schläft.«
    »Haben Sie Anrufe erhalten?«
    »Nein. Nur von einem Journalisten, der einen Termin haben wollte und sehr verärgert war, als ich ihm sagte, dass es unmöglich ist.«
    Man sah ihr an, dass sie müde war. Sie hatte sicher nicht viel geschlafen.
    »Fahr mich doch mal in die Rue Clément-Marot...«
    Nur um sich mal umzusehen. Nachts musste die Straße fast menschenleer sein. Die Fassade des Nachtclubs war angestrichen, und die Tür stand halb offen.
    Zwei Putzfrauen fegten den mit Luftschlangen und Konfetti übersäten Fußboden. Die Wände waren mit buntgemustertem Stoff bespannt.
    »Was wollen Sie? Wenn Sie Monsieur Felix suchen, der ist nicht da.«
    »Wer ist Monsieur Felix?«
    »Der Barmann...«
    Sehr selbstsicher kam ein Mann herein.
    »Sieh an! Der Kommissar... Gestern Abend hatten wir einen Ihrer Inspektoren hier...«
    »Was halten Sie von Louisa?«
    »Eine alte Nutte, die sozusagen nie aus dem Viertel herausgekommen ist. Als sie in die Jahre kam, musste sie wohl oder übel den Beruf wechseln. Jetzt verkauft sie Blumen in den Nachtlokalen...«
    »Ist sie vertrauenswürdig?«
    »In welchem Sinn?«
    »Hat sie nicht zu viel Phantasie? Darf man glauben, was sie sagt?«
    »Gewiss. Sie kann auch ein Geheimnis hüten. Die meisten dieser Damen haben eins, und sie kennt sie alle.«
    »Ich danke Ihnen.«
    »Warum interessieren Sie sich für sie?«
    »Weil sie behauptet, Monsieur Charles in der Nacht des 18. Februar hier gesehen zu haben, zusammen mit einer Animierdame.«
    »Wie kommt es, dass sie sich an das Datum erinnert?«
    »Anscheinend ist das der Geburtstag ihrer Tochter.«
    »Na, dann ist es sicher wahr.«
    Von hier aus war es nicht weit zu den Quais, und eine Rampe führte zum Flusshafen hinab.
7
    Maigret speiste wieder einmal mit Lapointe an der Place Dauphine, und während des ganzen Mittagessens gab er keine drei Sätze von sich. Er war nicht eigentlich trübsinnig, aber es war eine Schwere in ihm, die Lapointe wohlbekannt war. Man spürte, dass er in sich gekehrt, ganz von seinen Gedanken erfüllt war.
    Als sie am Quai des Orfevres ankamen, saß eine alte Frau in dem Wartezimmer mit den Glasfenstern, die er nicht gleich erkannte. Sie hingegen erkannte ihn sofort und lächelte ihm durch die Glasscheiben entgegen.
    Es war die alte Louisa, wie sie jetzt genannt wurde. Er hatte sie kennengelernt, als sie noch jung und fesch war, eine der Schönsten unter den Mädchen, die auf den Champs-Elysees auf den Strich gingen.
    Er ließ sie in sein Büro kommen, legte Mantel und Hut ab.
    »Lange nicht mehr gesehen,
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