Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
gedenke.«
    »Dieselbe Frage hat sie mir gerade eben auch gestellt.«
    »Ich glaube, sie weiß einiges über den Tod ihres Mannes.«
    »Auf jeden Fall versucht sie mit aller Gewalt, irgendetwas zu verbergen. Dadurch ist sie in ihren jetzigen Zustand geraten. Mich wundert nur, dass sie keinen hysterischen Anfall bekommen hat...«
    »Sie hat mich so dringend um etwas zu trinken gebeten, dass ich ihr die Flasche gegeben habe...«
    »Daran haben Sie gut getan... Bei ihrem Zustand ...«
    »Was wird aus ihr, aus medizinischer Sicht?«
    »Sie wird mehr und mehr die Selbstkontrolle verlieren.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass sie verrückt werden wird?«
    »Ich bin kein Psychiater. In ein, zwei Tagen würde ich sie allerdings gern von einem Psychiater untersuchen lassen... Wenn sie so weitertrinkt wie bisher, wird sie es jedenfalls nicht mehr lange machen... Hier, wo ich nicht die nötigen Behandlungsmöglichkeiten habe, kann sie nicht bleiben... Sie gehört in eine Klinik... Nicht unbedingt in eine psychiatrische Klinik... Man wird ihr ganz einfach den Alkohol entziehen und ihr die nötige Ruhe verschaffen...«
    Er seufzte.
    »Ich beschäftigte mich nicht gerne mit dieser Art von Patienten... Apropos, wissen Sie, wann die Beerdigung stattfindet?«
    »Ich wagte nicht, mit ihr darüber zu sprechen...«
    »Glauben Sie, dass sie ihn aufbahren möchte?«
    »Darum wird sich wahrscheinlich der Kanzleileiter kümmern. Sie ist dazu nicht in der Lage.«
    »Je weniger Trubel es im Haus geben wird, desto besser für sie. Einen Katafalk in der Halle oder im großen Salon, das kann ich mir nicht vorstellen...«
    Sie standen beide auf und verabschiedeten sich unten auf dem Trottoir. Maigret ging nach Hause und legte sich ins Bett. Er schlief schlecht und hatte Alpträume. Als seine Frau ihn weckte und ihm seinen Kaffee reichte, fühlte er sich so gerädert, als hätte er eine schwere körperliche Anstrengung hinter sich.
    »Ist Lapointe noch nicht da?« fragte er am Telefon.
    »Da kommt er gerade.«
    »Gib ihn mir, Lucas.«
    »Ich höre, Chef«, sagte Lapointes Stimme.
    »Komm mich zu Hause abholen. Vergewissere dich vorher, ob es nichts Neues gibt.«
    Er nahm ein Bad, rasierte sich, kleidete sich an und schluckte zwei Aspirintabletten, denn er hatte heftige Kopfschmerzen. Sein Frühstück rührte er kaum an.
    »Ich bin froh, wenn die Sache vorbei ist«, murmelte Madame Maigret. »Du nimmst sie dir so zu Herzen, dass du mir noch ganz krank wirst...«
    Er sah sie trübsinnig an und bemühte sich, ihr zuzulächeln.
    »Die Zeitungen schreiben fast nichts mehr davon. Weshalb?«
    »Weil es im Augenblick nichts zu schreiben gibt...«
    Er fand Lapointe am Steuer des kleinen Autos und schlüpfte auf den Sitz neben ihn.
    »Nichts auf meinem Schreibtisch?«
    »Ein Sachverständigenbericht... Die Wollfasern, die im Auto gefunden wurden, entsprechen dem Stoff, aus dem die Jacke des Toten ist...«
    »Was ist mit den Leuten, die ich in die Nachtclubs geschickt habe?«
    »In fast allen kannte man Monsieur Charles, und überall galt er als dufter Typ...«
    »Und am 18.?«
    »Kein Barmann, kein Kellner, keine Animierdame kann sich speziell an diesen Abend erinnern. Aber Jamin hat vielleicht etwas entdeckt. Eine alte Blumenverkäuferin, die die Lokale des Viertels abklappert. Für sie hat der 18. Februar eine Bedeutung, weil er der Geburtstag ihrer Tochter ist. Sie behauptet, Monsieur Charles, der ihr immer Blumen abkaufte, habe sich in der besagten Nacht im Cric-Crac , in der Rue Clement-Marot, aufgehalten...«
    »Mehr hat sie nicht gesagt?«
    »Er war mit Zoe zusammen und hat ihr rote Nelken geschenkt...«
    »Habt ihr die Adresse?«
    »Jamin hat sie aufgeschrieben. Sie legt aber Wert darauf, selbst zu Ihnen zu kommen, denn sie kennt Sie von früher, als Sie noch Schutzmann waren...«
    Sie waren an der Toreinfahrt angelangt, die Maigret allmählich gut kannte.
    »Soll ich auf Sie warten?«
    »Nein. Komm mit rauf.«
    Er begrüßte im Vorbeigehen den Pförtner und trat ins Vorzimmer der Büros. Die Empfangsdame ließ ihn durch, und er durchquerte das Büro des Notars und trat in das von Lecureur. Dieser hörte auf zu diktieren, gab der Sekretärin ein Zeichen, sich zu entfernen, und stand auf, um Maigret die Hand zu geben.
    »Sie hat anscheinend versucht, sich umzubringen, und der Arzt war heute Nacht da, nicht wahr?«
    »Nichts Ernstes. Sie schläft...«
    »Warum, glauben Sie, hat sie das getan?«
    »Wenn ich das wüsste, wären die Ermittlungen bald
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher