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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet
Autoren: Georges Simenon
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ich …«
    »Jawohl! Sie werden mir eine Kiste von Ihrem berühmten Schaumwein schicken, den ich neulich bei Ihnen gekostet habe …«
    Sollte dies ein Spaß oder eine Drohung sein? Der andere stand unschlüssig, wich jedoch schnell zum Fenster zurück, als er Maigrets massige Gestalt auf sich zukommen sah.
    »Sie haben mir Ihre Adresse noch nicht gegeben …«
    »Die schicke ich Ihnen per Postkarte. Hoppla! Ich sehe, Sie sind noch recht beweglich für Ihr Alter!«
    Klirrend schlug das Fenster zu.
    Maigret war allein im Zimmer, das vom grellen Licht der nackten Glühbirne erleuchtet war. Das Bett war noch so unberührt wie an dem Nachmittag, da Emile Gallet das Zimmer betreten hatte. Der Anzug aus unverwüstlichem schwarzem Tuch hing schlaff am Kleiderhaken.
    Hastig griff Maigret nach dem Foto auf dem Kamin, steckte es in einen gelben Umschlag mit dem Aufdruck des Wissenschaftlichen Erkennungsdienstes und kritzelte Madame Gallets Adresse darauf.
    Es war zehn Uhr. Aus Paris waren neue Gäste im Auto vorgefahren, hatten sich lärmend auf der Terrasse niedergelassen und ein Koffergrammophon in Gang gesetzt. Sie begannen zu tanzen, während Monsieur Tardivon – hin und her gerissen zwischen seinem Respekt vor dem Luxuswagen und der Furcht vor den Beschwerden der schon schlafenden anderen Gäste – verzweifelt versuchte, die Gesellschaft ins Innere des Hauses zu drängen.
    Maigret stapfte durch den Flur, durchquerte den Schankraum, wo ein Fuhrmann mit dem Lehrer Billard spielte, und trat auf die Terrasse. Ein tanzendes Paar hielt mitten in einem Foxtrott inne.
    »Was sagt er?«
    »Seine Gäste sind schon schlafen gegangen. Wir sollen nicht soviel Lärm machen …«
    Das Wasser glitzerte im Mondlicht. Man sah den Schein der Laternen an den Enden der Hängebrücke.
    »Darf man denn hier nicht tanzen?«
    »Nur drinnen.«
    »Aber hier ist es so romantisch.«
    Monsieur Tardivon seufzte tief auf, warf noch einmal einen bewundernden Blick auf das Auto seiner schwierigen Gäste und bemerkte Maigret.
    »Ach, Sie sind es, Kommissar! Ich habe den Tisch im kleinen Salon für Sie decken lassen … Und? Tut sich was Neues?«
    Das Grammophon plärrte munter weiter. An einem Fenster im ersten Stock erschien eine Frau in einem gestickten Nachthemd, starrte wütend auf die Ruhestörer und rief ihrem Mann, der anscheinend schon im Bett lag, zu:
    »Du gehst augenblicklich hinunter und sorgst dafür, daß der Lärm aufhört. Nicht einmal schlafen kann man in diesem Haus …«
    Zwei andere Gäste – ein Warenhausverkäufer und seine Freundin – ergriffen für die Pariser Partei in der Hoffnung, auf diese Weise neue Bekanntschaften zu schließen und endlich einmal einen interessanten Abend zu verbringen.
    »Ich bleibe nicht zum Essen«, erklärte Maigret. »Lassen Sie bitte mein Gepäck zum Bahnhof bringen.«
    »Sie reisen ab? Mit dem Elfuhrzweiunddreißig-Zug?«
    »Richtig.«
    »Aber eine Kleinigkeit werden Sie doch noch essen? Haben Sie übrigens unsere Adresse?«
    Monsieur Tardivon entnahm seiner Brieftasche eine Ansichtskarte. Aus dem schlechten Farbdruck und den altmodischen Kleidern der Frauen zu schließen, mußte sie mindestens zwölf Jahre alt sein.
    Das Bild stellte das ›Hôtel de la Loire‹ dar. Von einem Fenster im ersten Stock wehte eine Fahne, und auf der Terrasse wimmelte es von Gästen.
    Monsieur Tardivon stand lächelnd im Gehrock auf der Schwelle, und die mit Schüsseln und Tellern beladenen Kellnerinnen blickten steif in die Kamera.
    »Vielen Dank!«
    Maigret verstaute die Karte in einer seiner Rocktaschen. Dann warf er einen letzten Blick in die Runde.
    Hinter einem Fenster des Schlößchens ging eben das Licht an. Der falsche Tiburce de Saint-Hilaire war offenbar im Begriff, sich zur Ruhe zu begeben. Maigret konnte sich vorstellen, wie er sich während des Auskleidens vom ausgestandenen Schreck zu erholen versuchte, indem er sich selbst versicherte:
    »Das mit der Verjährung hat er zugeben müssen. Er hat gemerkt, daß ich im Zivilrecht nicht weniger bewandert bin als er. Zweitens war Gallet trotz allem ein Gauner … Also, was kann man mir eigentlich vorwerfen?«
    Ob ihm in seinem dunklen Zimmer nicht doch etwas bänglich zumute war?
    In Saint-Fargeau löschte Madame Gallet, das Haar in Lockenwicklern, wohl gerade das Licht, legte den Panzer ihrer Würde ab, tastete vielleicht über die leere Stelle an ihrer Seite und schluchzte leise auf, ehe sie einschlief.
    Ihre Schwestern, ihre Schwager, unter denen sich ein
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