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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet
Autoren: Georges Simenon
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Täuschungsmanöver. Der Schuß und der Messerstich. Das Zimmer über dem Hof und die Mauer. Die Druckstellen am linken Handgelenk und der verlorene Schlüssel …
    Sogar die drei möglichen Täter!
    Und in erster Linie Gallet selbst, dessen Tod so unglaubwürdig war wie sein Leben.
    Ohne den Bericht des Steuerinspektors hätte ich eben noch ein bißchen länger in der Vergangenheit des Toten herumstochern müssen. Ich wäre bis zum Gymnasium zurückgegangen, und dort hätte ich die Wahrheit erfahren. Übrigens können Sie nicht lange am Gymnasium in Nantes gewesen sein.«
    »Zwei Jahre. Sie warfen mich hinaus.«
    »Aha. Sie spielten Fußball! Sie waren hinter den Mädchen her, wie? Ist Ihnen klar, weshalb das alles so falsch klingt? Sehen Sie sich dieses Foto an! Los! In dem Alter, da Sie über die Schulmauer kletterten, um sich mit Ihren kleinen Freundinnen zu treffen, mußte dieser arme Teufel schon seine Leber schonen.
    Um mir die erforderlichen Beweise zu beschaffen, hätte ich mehr Zeit gebraucht. Aber das Wichtigste wußte ich bereits: Der Mann, der dringend zwanzigtausend Franc brauchte, war nach Sancerre gekommen, um sie von Ihnen zu fordern.
    Und Sie trafen sich zweimal mit ihm! Und beobachteten ihn am Abend von Ihrer Mauer aus. Sie ahnten, daß er sich umbringen würde, nicht wahr? Vielleicht hat er es Ihnen sogar angekündigt?«
    »Nein! Aber er war in einer üblen Verfassung. Am Nachmittag fiel mir seine abgehackte Sprechweise auf …«
    »Sie weigerten sich zu zahlen?«
    »Ich konnte nicht mehr. Es wäre ewig so weitergegangen. Am Ende hätte er mich total ruiniert …«
    »Waren Sie in Saigon, als Sie zum erstenmal von der Erbschaft hörten?«
    »Bei meinem Chef, dem Notar, ja. Eines Tages kam ein seltsamer Klient ins Büro, ein alter Sonderling, der seit über zwanzig Jahren im Busch lebte und höchstens alle drei Jahre einen Weißen zu Gesicht bekam. Fieber und Opium hatten seine Gesundheit zerrüttet. Ich war bei der Unterredung zugegen.
    ›Ich weiß, ich werde bald krepieren‹, sagte er wortwörtlich. ›Aber ich habe keine Ahnung, ob noch Angehörige von mir am Leben sind. Es gab da einen Saint-Hilaire, aber als ich Frankreich verließ, war er schon so kränklich, daß er inzwischen wohl längst gestorben ist. Falls er einen Nachkommen hat, versuchen Sie ihn ausfindig zu machen. Ich will ihm alles hinterlassen, was ich besitze!‹«
    »Und Sie hatten damals schon geplant, auf einen Schlag reich zu werden!« bemerkte Maigret sinnend.
    Hinter dem schwitzenden, hilflosen fünfzigjährigen Mann, der ihm gegenübersaß, glaubte er den skrupellosen jungen Draufgänger zu erkennen, der eine Hochzeitsfarce veranstaltete, um sich eine junge Eingeborene gefügig zu machen.
    »Fahren Sie fort!«
    »Ich hätte mich ohnehin nach Frankreich absetzen müssen. Der Weiber wegen. Hatte es etwas zu toll getrieben. Es gab da ein paar Ehemänner, Brüder, Väter, denen ich nicht paßte …
    Und da kam ich auf die Idee, nach einem Saint-Hilaire zu forschen. Leicht war es nicht. Auf Tiburce stieß ich erst im Gymnasium in Bourges. Aber dort wußte niemand, was aus ihm geworden war. Man erzählte mir nur, er sei ein verschlossener Bursche gewesen, der in der Schule keine Freunde gehabt hätte …«
    »Das kann ich mir denken!« höhnte Maigret. »Wo er keinen Centime besaß! Wo er sich in all den Jahren mit freier Kost und Unterkunft begnügen mußte …«
    »Erst hatte ich mir vorgestellt, wir würden uns in die Erbschaft teilen. Aber dann merkte ich, daß das mit dem Teilen gar nicht so einfach war. Alles nehmen war leichter. Ich brauchte drei Monate, bis ich ihn in Le Havre aufstöberte, wo er versuchte, auf einem Passagierdampfer als Steward oder Dolmetscher anzuheuern.
    Er hatte keine zehn Franc mehr in der Tasche. Ich bezahlte ihm ein paar Gläser. Aber ich mußte ihm die Würmer aus der Nase ziehen, und was er erzählte, war reichlich wenig.
    Er war Hauslehrer in einem Schloß gewesen, dann Korrektor in einer Druckerei in Rouen, dann Verkäufer in einer Buchhandlung.
    Er trug schon damals sein lächerliches Jackett und seinen komischen Spitzbart. Ich ging aufs Ganze. Erklärte ihm, ich wolle mir in Amerika ein Vermögen verdienen und dort bringe einen nichts so schnell ans Ziel wie ein Adelstitel, besonders bei den Frauen.
    Ich schlug ihm vor, mir seinen Namen zu verkaufen. Von meinem Vater, der Pferdehändler in Nantes gewesen war, hatte ich etwas Geld geerbt.
    Das Recht, mich Tiburce de Saint-Hilaire zu
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