Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Hand.
    Die Polizei erscheint, findet eine Leiche, aber keine Waffe. Was schließt sie daraus?«
    »Daß es ein Mord war.«
    »Richtig.«
    Diesmal zündete Maigret seine Pfeife mit einem Streichholz an, das er aus der eigenen Tasche kramte.
    Mit dem erleichterten Gesicht eines Mannes, der eine mühsame Arbeit hinter sich gebracht hat, hob er Gallets Kleider vom Boden auf und bemerkte im natürlichsten Ton der Welt:
    »Jetzt bringen Sie mir den Revolver!«
    »Den haben Sie doch aber gar nicht losgelassen … Sie haben ihn immer noch in der Hand …«
    »Ich spreche von dem Revolver, der Emile Gallet getötet hat. Gehen Sie! Ich warte!«
    Bedächtig hängte er die Hose und die Weste neben das Jackett mit den abgewetzten Ellbogen, das schon am Kleiderhaken baumelte.

11
Ein Geschäft
    Da Maigret ihm den Rücken zukehrte, ließ Saint-Hilaire seine Maske fallen. Das krampfhafte Lächeln verschwand aus seinen Zügen, und an seine Stelle traten Angst, Wut und – trotz allem – etwas wie Genugtuung.
    »Worauf warten Sie noch?«
    Er riß sich zusammen, sprang durch das Fenster auf den Brennesselweg, schritt auf das Seitentor zu und verschwand im Park. Dann wurde es still. Etwas beunruhigt trat der Kommissar ans Fenster.
    Die Uferstraße schimmerte im Lichtschein der Hotelterrasse. Man hörte das Klirren von Messern und Gabeln und das gedämpfte Stimmengemurmel der Gäste.
    Auf der anderen Seite der Mauer knackte ein Zweig. Es war so dunkel, daß Maigret die Umrisse Saint-Hilaires auf der Brüstung kaum erkennen konnte.
    Wieder ein Knacken, dann ein halblauter Ruf:
    »Wollen Sie ihn auffangen?«
    Der Kommissar zuckte die Schultern, rührte sich aber nicht von der Stelle, so daß dem andern nichts übrigblieb, als nochmals den Umweg durch das Seitentor zu machen.
    Ins Zimmer zurückgekehrt, legte er unaufgefordert eine Schußwaffe auf den Tisch. Er tat es ruhig. Seine Schultern hatten sich gestrafft. Dann berührte er Maigrets Arm mit einer fast vertraulichen, wenn auch etwas unbeholfen wirkenden Gebärde.
    »Was würden Sie zu zweihunderttausend sagen?«
    Er verschluckte sich, begann zu husten, spürte, wie sein Gesicht rot anlief – und dies ausgerechnet in dem Augenblick, da er den unbekümmerten, überlegenen Grandseigneur hatte spielen wollen!
    »Hm, äh! Oder wie wär’s mit drei …?«
    Er stockte. Maigret sah ihn an, kühl und unbeweglich. Das spöttische Glitzern unter den schweren Lidern brachte Saint-Hilaire vollends aus der Fassung, so daß er einen Schritt zurückwich und wie haltsuchend um sich blickte.
    Es dauerte nur wenige Sekunden. Dann fing er sich wieder. Sein Mund verzog sich zu einem ordinären Grinsen, das die Röte in seinem Gesicht und die Furcht in seinen Augen nicht zu verdecken vermochte.
    Die Rolle des Grandseigneurs hatte er verpatzt. Jetzt legte er sich eine neue zu, wurde zynisch, unverblümt.
    »Na schön, Sie haben es so gewollt! Im übrigen war ich ein naiver Trottel. Was können Sie mir schon anhängen! Die Sache ist längst verjährt!«
    Auch das klang falsch, unnatürlich, bildete einen krassen Gegensatz zu Maigrets Haltung, die eine durch nichts zu erschütternde Ruhe und Überlegenheit verriet.
    Der Kommissar war ein Hüne. Wenn er durch das Zimmer schritt, streifte sein Kopf die Deckenlampe, und seine breiten Schultern füllten das Fensterrechteck aus, so wie die mittelalterlichen Ritter mit ihren gebauschten Ärmeln die alten Gemälderahmen zu sprengen scheinen.
    Bedächtig packte er seine Sachen zusammen.
    »Sie wissen genau, daß ich nicht der Mörder bin!« ereiferte sich Saint-Hilaire.
    Er zog das Taschentuch hervor, schneuzte sich geräuschvoll.
    »Setzen Sie sich!« sagte Maigret kurz.
    »Ich stehe lieber …«
    »Setzen Sie sich!«
    Da Maigret sich ihm zuwandte, setzte er sich eilig auf einen Stuhl.
    Sein Gesicht war ratlos und verstört. Er sah aus wie ein Ertrinkender, der sich an den rettenden Strohhalm klammert.
    »Ich glaube«, sagte Maigret, »es erübrigt sich, den Steuerinspektor von Nevers herzubitten, damit er seinen alten Kameraden Emile Gallet identifiziert …
    O ja, ich wäre auch ohne ihn daraufgekommen! Es hätte bloß etwas länger gedauert …
    Ich hatte schon längst das Gefühl, daß an dieser Geschichte etwas nicht stimmt. Fragen Sie mich nicht, warum. Wenn alle Tatspuren dazu beitragen, die Fakten zu verschleiern, statt sie zu klären, dann muß jemand sie absichtlich gefälscht haben.
    Und dieser Fall war eine Fälschung von A bis Z. Ein einziges
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher