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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien
Autoren: Georges Simenon
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Fingernägel hineingekrallt.
    Diese Kleidung B trägt das Firmenzeichen Roger Morcel, Maßschneider, Rue Haute-Sauvenière in Lüttich.
    Was den Revolver betrifft, so handelt es sich um ein Fabrikat, das seit zwei Jahren nicht mehr hergestellt wird.
    Wenn Sie mir Ihre Adresse hierlassen, schicke ich Ihnen eine Kopie des Berichts, den ich für meine Vorgesetzten anzufertigen habe.«
     
    Um acht Uhr abends hatte Maigret alle Formalitäten erledigt. Die deutsche Polizei hatte ihm die Kleidungsstücke des Toten zusammen mit denen aus dem Koffer, die der Sachverständige Kleidung B genannt hatte, ausgehändigt. Es war beschlossen worden, die Leiche bis auf weiteres im Kühlschrank des Leichenhauses aufzubewahren, wo sie den französischen Behörden zur Verfügung stehen sollte.
    Maigret hatte eine Abschrift von Joseph van Dammes polizeilichem Meldezettel gemacht: Geboren in Lüttich als Sohn flämischer Eltern, von Beruf Vertreter und später Direktor eines seinen Namen führenden Kommissionsgeschäfts.
    Er war zweiunddreißig, unverheiratet, erst seit drei Jahren in Bremen ansässig, wo er nach anfänglichen Schwierigkeiten nun gute Geschäfte zu tätigen schien.
    In sein Hotelzimmer zurückgekehrt, saß der Kommissar lange auf dem Rand des Bettes, die beiden Kunststoffkoffer vor sich aufgebaut.
    Er hatte die Verbindungstür zum Nachbarzimmer geöffnet, wo alles so wie am Vorabend geblieben war. Mit Verwunderung stellte er fest, wie wenig Spuren das Drama hinterlassen hatte. Ein winziger brauner Spritzer an der Tapete, unter einer rosa Blume, war der einzig sichtbare Blutfleck; und auf dem Tisch lagen auch jetzt noch die beiden eingewickelten Wurstbrötchen. Eine Fliege hatte sich darauf niedergelassen.
    Am Vormittag hatte Maigret zwei Fotografien des Toten nach Paris geschickt und die Kriminalpolizei gebeten, sie in möglichst vielen Zeitungen veröffentlichen zu lassen.
    War es richtig, die Nachforschungen dort zu beginnen? In Paris, wo er zumindest den Anhaltspunkt einer Adresse besaß, der nämlich, an die sich Jeunet aus Brüssel dreißig Tausendfrancsscheine gesandt hatte.
    Oder sollte man in Lüttich suchen, wo der Anzug B vor einigen Jahren erstanden worden war? In Reims, wo die Schuhe des Toten herkamen?
    In Brüssel, wo Jeunet die dreißigtausend Francs verpackt hatte, oder in Bremen, wo er umgekommen war und ein gewisser Joseph van Damme, der behauptete, ihn nicht zu kennen, aufgetaucht war, um seine Leiche zu betrachten?
    Der Hotelbesitzer kam und hielt eine lange Rede auf deutsch, der der Kommissar die Frage entnahm, ob das Zimmer, in dem sich die Tragödie abgespielt hatte, nun wieder hergerichtet und vermietet werden könne.
    Er knurrte bejahend, wusch sich die Hände, zahlte und machte sich mit den beiden Koffern auf, diesen Koffern, deren auffällige Schäbigkeit in solch krassem Widerspruch zu seiner behäbigen Erscheinung stand.
    Nichts sprach dafür, die Nachforschungen eher an der einen als an der anderen Stelle zu beginnen, und wenn der Kommissar sich für Paris entschied, so geschah es hauptsächlich, weil die überwältigend fremde Bremer Atmosphäre, die seine Lebensgewohnheiten und Anschauungen immerfort erschütterte, ihn zu bedrücken begann.
    Das ging so weit, daß dieser gelblich blaße und zu leichte Tabak ihm fast die Lust am Rauchen nahm.
    Er schlief im Schnellzug und erwachte bei Tagesanbruch an der belgischen Grenze. Eine halbe Stunde später schon fuhr er durch Lüttich; sein lustloser Blick streifte die Stadt.
    Der Zug hatte nur eine halbe Stunde Aufenthalt, so daß Maigret nicht die Zeit zu einem Besuch in der Rue Haute-Sauvenière blieb.
    Um zwei Uhr nachmittags stieg er an der Gare du Nord aus und mengte sich unter die Pariser Passanten. Sein erstes Ziel war eine Tabakhandlung.
    Er brauchte eine Weile, um französische Münzen aus der Tasche zu kramen, wurde angerempelt. Die beiden Koffer standen zu seinen Füßen. Als er sie wieder aufnehmen wollte, war nur noch einer da. Vergeblich sah er sich nach allen Seiten um; begriff, daß es zwecklos sein würde, die Polizei zu alarmieren.
    Eins allerdings war beruhigend: Der Koffer, der ihm geblieben war, hatte eine Schnur mit zwei Schlüsseln am Griff. Es war der mit den Kleidungsstücken.
    Der Dieb hatte den Koffer mit den alten Zeitungen erwischt.
    Aber handelte es sich überhaupt um einen gewöhnlichen Dieb der Sorte, die auf Bahnhöfen ihr Unwesen treibt? Wäre es in diesem Fall nicht seltsam, daß er sich ein Gepäckstück von so
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