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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen
Autoren: Georges Simenon
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Straßenkleidern in der Badewanne, in der er sich nicht ausstrecken konnte. Aus dem Hahn lief Wasser. Die Wanne fing schon an überzulaufen, und das Wasser war rosarot gefärbt.
    »Sie haben nicht zufällig einen großen Schraubenzieher, einen Wagenheber, irgendetwas Schweres?«
    »In meinem Auto … Moment …«
    Der Nachbar rannte in seine Wohnung, zog schnell einen Morgenmantel über, kam wieder heraus, während seine Frau noch einen ganzen Schwall von Fragen hinter ihm herrief. Er gelangte durch das Tor auf die Straße, und man hörte, wie ein Kofferraum geöffnet wurde.
    Nun erschien auch die Frau in der Tür. Maigret stieß einen kurzen Befehl aus:
    »Rufen Sie einen Arzt! Wo wohnt der nächste?«
    »Was ist denn los? … Reicht es denn nicht, dass …«
    Schimpfend entfernte sie sich, während ihr Mann mit einem Reifenmontierhebel zurückkam. Der Nachbar war noch größer, breitschultriger und massiger als der Kommissar.
    »Lassen Sie mich nur machen … Da ich ja nicht für den Schaden aufkommen muss …«
    Zuerst leistete das Holz Widerstand, dann zersplitterte es. Ein Hebeldruck oben, einer unten, und plötzlich sprang die Tür auf, so dass der Mann beinahe mit ihr in die Diele gestürzt wäre.
    Das Weitere spielte sich in einem totalen Durcheinander ab. Andere Nachbarn hatten den Lärm gehört und drängten sich vor dem engen Wohnungseingang. Maigret hatte Francis aus der Badewanne gehoben und ihn zum Schlafsofa gebracht. Er erinnerte sich, dass die Kommodenschublade alle möglichen Utensilien enthielt.
    Er fand eine Schnur, aus der er mit Hilfe eines dicken blauen Bleistiftes eine Aderpresse anfertigte. Kaum hatte er das bewerkstelligt, als ihn ein junger Arzt zur Seite schob. Dieser wohnte im selben Gebäude und war nur schnell in eine Hose geschlüpft.
    »Wann ist das passiert?«
    »Wir haben ihn gerade erst gefunden.«
    »Rufen Sie einen Krankenwagen!«
    »Bestehen Aussichten, dass …«
    »Verdammt noch mal, keine Fragen jetzt!«
    Fünf Minuten später hielt ein Krankenwagen im Hof. Maigret setzte sich neben den Fahrer. Im Krankenhaus wartete er draußen auf dem Flur, während ein Assistenzarzt eine Bluttransfusion vornahm.
    Er blickte überrascht auf, als plötzlich Huguet vor ihm stand.
    »Wird er es überleben?«
    »Das bleibt noch abzuwarten.«
    »Glauben Sie, dass es ihm mit seinem Selbstmord wirklich ernst war?«
    Offensichtlich hatte er seine Zweifel. Maigret erging es nicht anders. Francis fühlte sich in die Enge getrieben und suchte nach einer theatralischen Geste.
    »Warum hat er das nur getan?«
    Maigret deutete die Frage auf seine Art:
    »Weil er sich für zu intelligent hielt.«
    Natürlich konnte der Fotograf nichts mit dieser Antwort anfangen und sah ihn verdutzt an. Maigret dachte dabei auch nicht an Sophies Tod, sondern an den wesentlich harmloseren, vielleicht aber für Ricains Zukunft viel folgenschwereren Vorfall, nämlich die Entwendung seiner Brieftasche.

9
    Er schlief bis zehn Uhr, konnte aber nicht am offenen Fenster frühstücken, wie er es sich vorgenommen hatte, denn am nächsten Morgen fiel ein feiner, kalter Sprühregen.
    Bevor er ins Badezimmer ging, das überhaupt kein Fenster auf den Hof hinaus hatte, nicht einmal eine Milchglasscheibe, rief er das Krankenhaus an. Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihm, mit dem diensthabenden Arzt verbunden zu werden.
    »Ricain? … Wer soll denn das sein? … Ein dringender Fall? … Davon hatten wir heute Nacht acht, und wenn ich mich an alle Namen erinnern müsste … Na gut … Bluttransfusion … Selbstmordversuch … Hm … Wenn die Arterie durchschnitten wäre, befände er sich nicht hier, oder aber wir hätten ihn schon in den Kühlraum im Untergeschoss gebracht … Ja, es geht ihm gut … Er hat den Mund nicht aufgemacht … Nein … Kein Wort … Ein Polizist steht vor seiner Tür … Sie wissen vermutlich Bescheid …«
    Um elf Uhr traf Maigret in seinem Büro ein. Seine Füße taten ihm wieder weh, da er beschlossen hatte, seine neuen Schuhe anzuziehen. Irgendwann mussten sie ja eingelaufen werden.
    Er saß Lapointe und Janvier gegenüber, ordnete gedankenlos seine Pfeifen der Größe nach und wählte schließlich die längste aus, die er sorgfältig stopfte.
    »Wie ich schon gestern dem Fotografen erklärt habe …«
    Die beiden Inspektoren sahen sich fragend an, denn sie hatten keine Ahnung, von welchem Fotografen die Rede war.
    »Also, wie gesagt, er ist einfach zu intelligent. Das kann mitunter genauso gefährlich
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