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Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Titel: Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange
Autoren: Georges Simenon
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friedlich war wie das Wohnzimmer. Hinter einem Sessel mit schwarzem Lederbezug erhob sich ein Ungetüm von einem dunkelgrün gestrichenen Geldschrank, ein ziemlich altes Modell. Boissier trat nahe heran und fuhr mit sachkundiger Hand über den Stahl.
    »So, Sie sehen also, dass alles in Ordnung ist«, sagte die Alte. »Sie müssen meinem Sohn seine schlechte Laune nicht übelnehmen, aber –«
    Sie verstummte, als sie ihn im Türrahmen stehen sah, wie er sie alle wütend beobachtete.
    Dann wies sie auf die gebundenen Bücher, die die Regale ringsum füllten, und fuhr mit gespielter Liebenswürdigkeit fort:
    »Wundern Sie sich nicht, dass sie vor allem juristische Bücher sehen. Sie stammen aus der Bibliothek meines Mannes, der Rechtsanwalt war.«
    Sie öffnete eine letzte Tür. Hier war die Einrichtung vertrauter, denn sie gehörte zum Behandlungszimmer eines beliebigen Zahnarztes mit dem verstellbaren Stuhl und den üblichen Instrumenten. Bis zur Fenstermitte waren die Scheiben aus Milchglas. Als sie wieder das Arbeitszimmer durchquerten, trat Boissier an eines der Fenster, über das er wiederum langsam mit den Fingern fuhr, bevor er Maigret einen vielsagenden Blick zuwarf.
    »Ist es schon lange her, dass diese Fensterscheibe ersetzt worden ist?«, fragte er dann.
    Die Alte war es, die ohne Zögern antwortete:
    »Vor vier Tagen. Das Fenster war bei dem großen Gewitter aufgeblieben, an das Sie sich bestimmt noch erinnern.«
    »Haben Sie den Glaser kommen lassen?«
    »Nein.«
    »Wer hat denn die neue Scheibe eingesetzt?«
    »Mein Sohn. Er bastelt gern. Die kleinen Reparaturen im Haus erledigt er immer selbst.«
    Erst jetzt schaltete sich Guillaume Serre mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme wieder ein:
    »Diese Herren haben überhaupt nicht das Recht, uns zu belästigen, Mama! Beantworte ihre Fragen nicht mehr!«
    Sie richtete es so ein, dass sie ihm den Rücken kehrte, als sie Maigret mit einem Lächeln bedachte, das besagen sollte: ›Beachten Sie ihn nicht. Ich habe es Ihnen ja gleich gesagt.‹
    Sie begleitete sie bis zur Haustür, während ihr Sohn mitten im Wohnzimmer stehen blieb, und flüsterte ihnen, sich zu ihnen hinbeugend, zu:
    »Wenn Sie noch mal mit mir sprechen wollen, kommen Sie am besten, wenn er nicht da ist.«
    Sie standen wieder draußen in der Sonne, die ihnen sofort auf der Haut brannte. Als sie das Gittertor hinter sich gelassen hatten – sein leichtes Quietschen ließ an eine Klosterpforte denken –, gewahrten sie auf dem Bürgersteig gegenüber den grünen Hut Ernestines, die auf der Terrasse des Bistros saß.
    Maigret zögerte. Sie hätten die Straße nach links hinuntergehen und so ein Zusammentreffen mit ihr vermeiden können. Wenn sie zu ihr hinübergingen, erweckten sie beinahe den Anschein, als erstatteten sie ihr Bericht.
    Vielleicht von einer Art Taktgefühl getrieben, fragte der Kommissar brummig:
    »Wollen wir ein Bier trinken?«
    Mit forschender Miene sah Ernestine die beiden näher kommen.

3
Ernestine hüllt sich schamhaft in einen Morgenrock, und die alte Dame aus Neuilly stattet Maigret einen Besuch ab
    »Was hast du heute gemacht?«, fragte Madame Maigret, als sie sich am weit offenen Fenster zu Tisch setzten.
    Auch in den Häusern gegenüber sah man die Leute essen; überall waren die gleichen hellen Farbflecken der Oberhemden der Männer zu erkennen, die sich ihr Jackett ausgezogen hatten. Manche lehnten sich nach der Mahlzeit aus den Fenstern. Man hörte Radiomusik, Säuglingsgeschrei und Stimmengewirr. Vor einigen Haustüren hatten es sich die Concierges auf ihren Stühlen bequem gemacht.
    »Nichts Besonderes«, antwortete Maigret. »Eine Geschichte mit einer Holländerin, die vielleicht ermordet wurde, vielleicht aber auch noch irgendwo am Leben ist.«
    Es war noch zu früh, um davon zu berichten. Alles in allem hatte er es gemächlich angehen lassen. Sie hatten lange auf der kleinen Terrasse in der Rue de la Ferme herumgetrödelt, Boissier, Ernestine und er, und von ihnen dreien war Ernestine am aufgeregtesten gewesen.
    Entrüstet hatte sie gefragt:
    »Er hat also behauptet, dass das alles nicht wahr sei?«
    Der Wirt hatte ihnen Bier gebracht.
    »Eigentlich hat er gar nichts gesagt. Seine Mutter hat geredet. Er hätte uns am liebsten vor die Tür gesetzt.«
    »Und er versichert, es habe keine Leiche im Arbeitszimmer gelegen?«
    Sie hatte sich offensichtlich beim Weinhändler über die Bewohner des Hauses mit dem Gitter erkundigt.
    »Warum hat er denn nicht die
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