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Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Titel: Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange
Autoren: Georges Simenon
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Gewissheit haben, aus der Sache herauszubleiben. Sie sind überzeugt, dass Sie noch jahrelang in Ihrem Haus leben, Ihr Geld zählen können …«
    Sie hatte Angst bekommen. Ihr Mund öffnete sich, als ob sie um Hilfe rufen wollte. Plötzlich entriss Maigret mit einer unvorhergesehenen brutalen Bewegung ihren alten Händen die Handtasche, an der sie sich festklammerte.
    Sie stieß einen Schrei aus und stürzte sich auf ihn, um sie wiederzubekommen.
    »Setzen Sie sich!«
    Er hakte den silbernen Verschluss auf. Ganz unten, unter den Handschuhen, dem Portemonnaie, dem Taschentuch und der Puderdose, fand er ein zusammengefaltetes Stück Papier mit zwei weißen Tabletten darin.
    Es war still wie in einer Kirche oder einer Grotte. Maigret rekelte sich, nahm wieder Platz und betätigte eine elektrische Klingel.
    Als die Tür aufging, sagte er, ohne einen Blick auf den eintretenden Inspektor zu werfen:
    »Sag Janvier, er soll ihn in Ruhe lassen.«
    Und als der Polizeibeamte erstaunt stehen blieb:
    »Es ist vorbei. Sie gesteht.«
    »Ich habe überhaupt nichts gestanden!«
    Er wartete, bis sich die Tür wieder geschlossen hatte.
    »Es kommt auf dasselbe heraus. Ich hätte das Experiment zu Ende führen, hätte Ihnen das Gespräch unter vier Augen mit Ihrem Sohn bewilligen können, um das Sie mich gebeten hatten. Finden Sie nicht, dass es für eine einzige alte Frau schon genug Leichen gibt?«
    »Sie wollen sagen, ich hätte …«
    Er spielte mit den Tabletten.
    »Sie hätten ihm sein Medikament gegeben, besser gesagt, das, was er dafür gehalten hätte, und es hätte nie mehr das Risiko bestanden, dass er redete.«
    Vereinzelte Sonnenstrahlen begannen über die Dachfirste zu klettern. Das Telefon klingelte wieder.
    »Kommissar Maigret? Hier ist die Wasserpolizei. Wir sind in Billancourt. Der Taucher ist gerade zum ersten Mal unten gewesen und hat einen großen, ziemlich schweren Koffer entdeckt.«
    »Der Rest kommt auch noch!«, sagte er, ohne weitere Fragen zu stellen.
    Ein abgespannter und überraschter Janvier erschien im Türrahmen.
    »Man sagt mir, dass–«
    »Bring sie ins Untersuchungsgefängnis! Den Mann auch, wegen Beihilfe. Ich suche den Staatsanwalt auf, sobald er ins Haus kommt.«
    Er kümmerte sich nicht mehr um die beiden, weder um die Mutter noch um den Sohn.
    »Sie können nach Hause gehen und sich schlafen legen«, sagte er zu dem Übersetzer.
    »Fertig?«
    »Für heute.«
    Der Zahnarzt war nicht mehr da, als er in sein Büro kam, aber im Aschenbecher lagen pechschwarze Zigarrenstummel. Er setzte sich in seinen Sessel und war nahe daran einzunicken, als ihm die Bohnenstange einfiel.
    Er fand sie im Wartezimmer, wo sie eingeschlafen war. Er rüttelte sie an der Schulter, und mit einer instinktiven Geste rückte sie ihren grünen Hut zurecht.
    »Das wär’s. Du kannst gehen.«
    »Hat er gestanden?«
    »Sie war es.«
    »Was? Die Alte hat …«
    »Später!«, brummte er.
    Dann drehte er sich doch noch einmal um, denn irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen.
    »Vielen Dank auch! Wenn Alfred zurückkommt, rate ihm …«
    Wozu eigentlich? Nichts würde den Traurigen von seiner Manie heilen, Geldschränke zu knacken, die er früher selbst eingebaut hatte, und auch nicht davon, jedes Mal überzeugt zu sein, es sei das letzte Mal und jetzt könne er wirklich aufs Land ziehen.
    In Anbetracht ihres Alters wurde die alte Madame Serre nicht hingerichtet und verließ das Schwurgericht mit der befriedigten Miene eines Menschen, der endlich Ordnung im Frauengefängnis schaffen will.
    Als ihr Sohn nach zwei Jahren aus dem Zuchthaus in Fresnes entlassen wurde, begab er sich schnurstracks in das Haus in der Rue de la Ferme und machte am gleichen Abend seine Runde im Viertel, die ihm zur Gewohnheit geworden war, als er noch einen Hund ausführen musste.
    Er trank weiter seinen Rotwein in der kleinen Bar und warf, bevor er hineinging, wie früher einen ängstlichen Blick in beide Richtungen der Straße.
     
    Shadow Rock Farm, Lakeville (Connecticut),
    8. Mai 1951
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