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Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange

Titel: Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange
Autoren: Georges Simenon
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Namen trug und dieselben Rechte hatte wie Sie.«
    Sie presste die Lippen zusammen.
    »Diese Frau, die gleichfalls eine Herzkrankheit hatte, war reich, reicher als Ihr Sohn, reicher als alle Serres zusammen.«
    »Sie behaupten mit anderen Worten, ich hätte sie vergiftet, nachdem ich meinen Mann vergiftet hatte?«
    »Ja.«
    Sie stieß ein kurzes, gezwungenes Lachen aus.
    »Ich habe dann wohl auch meiner zweiten Schwiegertochter Gift gegeben?«
    »Die war mutlos geworden und wollte fort, nachdem sie sich vergeblich bemüht hatte, in einem Haus zu leben, das ihr fremd blieb. Wahrscheinlich nahm sie ihr Geld mit. Zufällig war sie ebenfalls herzkrank.
    Wissen Sie, von Anfang an habe ich mich gefragt, warum ihre Leiche verschwunden ist. Wenn sie nur vergiftet worden wäre, hätte es genügt, einen Arzt zu rufen, der in Anbetracht von Marias Gesundheitszustand einen Herzanfall festgestellt hätte. Vielleicht hätte dieser Anfall sich sogar später ereignen sollen, im Taxi, auf dem Bahnhof oder im Zug.«
    »Sie scheinen sich Ihrer Sache sehr sicher zu sein, Monsieur Maigret!«
    »Ich weiß, dass ein Ereignis eingetreten ist, das Ihren Sohn gezwungen hat, auf seine Frau zu schießen. Nehmen wir an, dass Maria in dem Augenblick, als sie weggehen und ein Taxi holen oder, was wahrscheinlicher ist, telefonisch eines bestellen wollte, gewisse Symptome gespürt hat.
    Sie kannte Sie beide genau, nachdem sie zweieinhalb Jahre lang mit Ihnen unter einem Dach gelebt hatte. Sie hat viel gelesen, Bücher der unterschiedlichsten Wissensgebiete, und es würde mich nicht wundern, wenn sie sich bestimmte medizinische Kenntnisse angeeignet hätte. In dem Bewusstsein, vergiftet worden zu sein, ist sie in das Arbeitszimmer Ihres Sohnes gekommen, wo Sie sich befanden.«
    »Warum behaupten Sie, ich sei dort gewesen?«
    »Weil sie sich fatalerweise mit Ihnen gezankt hat. Wenn Sie in Ihrem Zimmer gewesen wären, wäre sie nach oben gegangen.
    Ich weiß nicht, ob sie Sie mit ihrem Revolver bedroht oder ob sie nur die Hand nach dem Telefon ausgestreckt hat, um die Polizei zu rufen.
    Ihnen blieb nur ein Ausweg: sie zu töten.«
    »Und Sie glauben also, ich hätte –«
    »Nein. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wahrscheinlich Ihr Sohn den Schuss abgegeben hat oder, wenn Sie so wollen, Ihre Arbeit vollendet hat.«
    Die Morgendämmerung verlieh dem Lampenlicht einen schmutziggrauen Schimmer. Die Gesichtszüge wirkten dadurch wie gemeißelt. Das Telefon klingelte.
    »Sind Sie’s, Chef? Ich bin mit der Analyse fertig. Es ist so gut wie sicher, dass die Ziegelkrümel im Auto aus Billancourt stammen!«
    »Du kannst schlafen gehen, mein Junge. Deine Arbeit ist getan.«
    Er stand abermals auf und ging im Zimmer herum.
    »Ihr Sohn, Madame Serre, ist entschlossen, alles auf sich zu nehmen. Ich sehe keine Möglichkeit, ihn daran zu hindern. Wenn er imstande war, so viele Stunden lang zu schweigen, wird er es auch fertigbringen, bis zum Schluss zu schweigen. Es sei denn …«
    »Es sei denn …?«
    »Ich weiß nicht. Ich denke laut. Vor zwei Jahren habe ich einen ebenso robusten Mann in meinem Büro gehabt, der nach fünfzehn Stunden die Zähne noch nicht auseinanderbekommen hatte.«
    Er riss mit jäher Geste in einer Art Wutanfall das Fenster auf.
    »Es hat siebenundzwanzig Stunden gedauert, bis er mit den Nerven am Ende war.«
    »Hat er dann geredet?«
    »Er hat alles in einem Atemzug erzählt, als verschaffte ihm das Erleichterung.«
    »Ich habe niemanden vergiftet.«
    »Nicht von Ihnen will ich die Antwort haben.«
    »Von meinem Sohn?«
    »Ja. Er ist überzeugt, dass Sie es nur um seinetwillen getan haben, halb aus Angst, ihn mittellos dastehen zu sehen, halb aus Eifersucht.«
    Er musste sich zusammennehmen, sie nicht trotz ihres Alters zu schlagen, denn ihre schmalen Lippen verzogen sich unwillkürlich zu einem Lächeln.
    »Das ist aber ein Irrtum!«, stieß er hervor.
    Dann ging er nahe an sie heran, und Auge in Auge, seinen Atem auf dem Gesicht der Frau, hämmerte seine Stimme auf sie ein:
    »Nicht seinetwegen haben Sie Angst vor der Not gehabt, sondern um Ihrer selbst willen! Nicht seinetwegen haben Sie gemordet, und wenn Sie heute Nacht hier sind, dann nur, weil Sie befürchteten, er werde alles erzählen.«
    Sie versuchte, ihm auszuweichen; sie lehnte sich auf ihrem Stuhl weit zurück, denn Maigrets Gesicht kam immer näher, unerbittlich, drohend.
    »Was kümmert es Sie, dass er ins Gefängnis kommt oder sogar hingerichtet wird, wenn Sie nur die
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