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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter
Autoren: Georges Simenon
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habe ihn gerade vorhin noch gesehen.«
    »Gut. Aber sagen Sie kein Wort. Rufen Sie mich nur an, falls er allein weggehen sollte.«
    »Wird gemacht. Gehen Sie nicht zu hart mit ihm um.«
    »Das wird wahrscheinlich ein anderer besorgen«, antwortete Maigret geheimnisvoll.
    In wenigen Augenblicken würde in den ›Folies-Bergères‹ Francine Latour zusammen mit dem Komiker Dréan auftreten, und gerade dann würde wahrscheinlich ihr Geliebter wie jeden Abend in den stickig heißen Zuschauerraum kommen und eine Weile lang mit halbem Ohr dem Dialog, den er auswendig kannte, und dem Gelächter aus dem Publikum lauschen.
    Maria lag immer noch in ihrem Krankenhauszimmer, voll Angst und Wut, weil man ihr, wie es Vorschrift war, das Baby für die Nacht weggenommen hatte und zwei Inspektoren nach wie vor im Flur Wache standen. Ein weiterer stand allein in einem anderen Flügel des Krankenhauses, wohin man soeben Pietr nach der Operation gebracht hatte.
    Coméliau, der bei Freunden am Boulevard Saint-Germain eingeladen war, zog sich dort einen Augenblick zurück, um zu telefonieren. Ziemlich nervös rief er Maigret an.
    »Immer noch nichts?«
    »Ein paar Kleinigkeiten. Carl Lipschitz ist tot.«
    »Hat ihn einer von Ihren Männern erschossen?«
    »Nein, einer aus seiner Bande. Der kleine Pietr ist von einem meiner Inspektoren ins Bein geschossen worden.«
    »Dann ist also nur noch einer übrig?«
    »Ja, Serge Madok. Und der Anführer.«
    »Den Sie immer noch nicht kennen?«
    »Ich weiß immerhin, dass er Jean Bronsky heißt.«
    »Wie war der Name?«
    »Bronsky.«
    »Ist er nicht Filmproduzent?«
    »Ich weiß nicht, ob er Produzent ist, aber er hat irgendwas mit dem Film zu tun.«
    »Ich habe ihn vor knapp drei Jahren zu achtzehn Monaten Gefängnis verurteilt.«
    »Ja, das ist er.«
    »Sind Sie ihm auf der Spur?«
    »Er ist im Augenblick in den ›Folies-Bergères‹.«
    »Wo?«
    »Ich sagte: in den ›Folies-Bergères‹.«
    »Und Sie verhaften ihn nicht?«
    »Das kommt noch. Wir haben jetzt Zeit. Ich möchte kein unnötiges Blutvergießen, verstehen Sie?«
    »Notieren Sie sich meine Nummer. Ich bin bis etwa Mitternacht hier bei meinen Freunden. Dann warte ich zu Hause auf Ihren Anruf.«
    »Bis dahin werden Sie bestimmt noch eine Weile schlafen können.«
    Maigret hatte sich nicht getäuscht. Jean Bronsky und Francine Latour ließen sich zunächst im Taxi ins ›Maxim’s‹ fahren, wo sie allein soupierten. Maigret verfolgte ihr Kommen und Gehen immer noch von seinem Büro am Quai des Orfèvres aus. Und schon zum zweiten Mal war der Kellner von der ›Brasserie Dauphine‹ mit seinem Tablett gekommen. Überall im Büro standen schmutzige Gläser und lagen halbaufgegessene Brote herum, und es war so verraucht, dass man beinahe erstickte. Colombani aber hatte trotz der Hitze seinen hellen Kamelhaarmantel anbehalten, der für ihn eine Art Uniform war, genau wie er immer den Hut im Nacken trug.
    »Lässt du die Frau nicht kommen?«
    »Was für eine Frau?«
    »Nine, Alberts Frau.«
    Maigret schüttelte den Kopf. Er sah unzufrieden aus. Ging ihn das eigentlich etwas an? Er war gern bereit, mit Kollegen aus der Rue des Saussaies zusammenzuarbeiten, aber nur unter der Bedingung, dass man ihn machen ließ.
    Im Augenblick wog er bei allem vorsichtig das Für und Wider ab. Es war, wie Richter Coméliau gesagt hatte: Es hing von ihm ab, wann Jean Bronsky verhaftet werden sollte. Ein Satz fiel ihm ein, den er zu Beginn der Untersuchung, er wusste nicht mehr, zu wem, mit ungewöhnlichem Ernst gesagt hatte:
    »Diesmal haben wir es mit Mördern zu tun.«
    Mit Mördern, die, einer wie der andere, wussten, dass sie nichts mehr zu verlieren hatten. Sie waren sich sogar darüber klar, dass man sie, wenn man sie mitten in einer Menschenmenge festnahm und den Leuten sagte, dies seien die Leute der Picardie-Bande, unweigerlich lynchen würde.
    Nach dem, was sie auf den Höfen getan hatten, würde jedes Gericht sie zum Tod verurteilen; auch das wussten sie. Und es war mehr als fraglich, ob Maria wegen des Kindes darauf hoffen durfte, vom Präsidenten der Republik begnadigt zu werden.
    Die Aussage des kleinen Mädchens, das den Verbrechern entkommen war, die Brandwunden an den Füßen und Brüsten der Ermordeten, Marias hochmütige Grausamkeit und sogar ihre wilde Schönheit würden die Geschworenen gegen sie einnehmen.
    Zivilisierte Menschen fürchten sich vor wilden Tieren, besonders vor denen ihrer eigenen Spezies, die sie an längst vergangene
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