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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter
Autoren: Georges Simenon
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unter dem Einfluss des Mondes. Er nahm sich vor, gleich hinterher im Kalender nachzusehen.
    »Zuerst wollte ich zu Ihnen kommen. Ich war schon am Quai des Orfèvres, aber ich habe mich nicht getraut, zu Ihnen reinzukommen, weil er mir auf den Fersen war. Er hätte bestimmt nicht gezögert, auf mich zu schießen.«
    »Von wem sprechen Sie?«
    »Einen Augenblick … Ich bin ganz in der Nähe, gegenüber Ihrem Büro; eben konnte ich noch das Fenster sehen … Am Quai des Grands-Augustins. Sie kennen doch das kleine Café ›Aux Caves du Beaujolais‹? … Ich bin in einer Telefonzelle. Hallo? Hören Sie noch?«
    Es war zehn nach elf morgens. Maigret schrieb automatisch die Zeit und den Namen des Cafés auf seinen Block.
    »Ich habe schon alles Mögliche versucht. Ich habe mich auch an einen Polizisten an der Place du Châtelet gewandt.«
    »Wann?«
    »Vor einer halben Stunde … Einer der Männer war mir auf den Fersen, der kleine Dunkelhaarige, es sind nämlich mehrere, die sich ablösen. Ich bin nicht sicher, ob ich sie alle erkenne. Ich weiß nur, dass der kleine Dunkelhaarige …«
    Stille.
    »Hallo!«, rief Maigret.
    Nach einigen Sekunden meldete sich der andere wieder.
    »Entschuldigen Sie. Ich habe gehört, wie jemand ins Café kam, und glaubte schon, er sei es … Ich habe die Tür der Telefonzelle einen Spaltbreit aufgemacht, um nachzusehen, aber es ist nur ein Lieferant … Hallo!«
    »Was haben Sie zu dem Polizisten gesagt?«
    »Dass mir seit gestern Abend ein paar Männer folgen … Seit gestern Nachmittag, um genau zu sein. Dass sie bestimmt auf eine Gelegenheit warten, mich umzubringen. Ich habe ihn gebeten, den zu verhaften, der hinter mir her war.«
    »Und er hat sich geweigert?«
    »Er hat gesagt, ich solle ihm den Mann zeigen. Aber da war er plötzlich nirgends mehr zu sehen. Deswegen hat er mir nicht geglaubt … Ich bin also zur nächsten Metrostation gelaufen, in einen Wagen gesprungen und, als der Zug abfuhr, wieder ausgestiegen. Ich bin durch alle Gänge gerannt … Dann bin ich gegenüber dem Kaufhaus Bazar am Hôtel de Ville wieder rausgekommen und dann durch das Kaufhaus gegangen …«
    Er musste schnell gegangen sein. Vielleicht war er sogar gelaufen; er war außer Atem und keuchte.
    »Ich wollte Sie also bitten, mir sofort einen Inspektor in Zivil zu schicken, hierher, in die ›Caves du Beaujolais‹ … Er soll mich nicht ansprechen … Er soll sich ganz unauffällig benehmen … Ich werde hinausgehen, der andere wird mir höchstwahrscheinlich folgen … Er braucht ihn nur zu verhaften, und ich komme dann zu Ihnen und erkläre Ihnen alles.«
    »Hallo!«
    »Ich sage, dass ich …«
    Stille. Undefinierbare Geräusche.
    »Hallo? Hallo!«
    Niemand mehr am anderen Ende der Leitung.
    »Ich sagte gerade …«, fuhr die alte Dame mit dem Gift unerschütterlich fort, als sie sah, dass Maigret auflegte.
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Er ging zur Tür, die sein Büro mit dem der Inspektoren verband, und öffnete sie.
    »Janvier! Setz deinen Hut auf, und lauf zum Quai des Grands-Augustins rüber. Dort gibt es ein Café namens ›Aux Caves du Beaujolais‹. Frag, ob der Mann noch dort ist, der soeben angerufen hat.«
    Er nahm den Hörer ab.
    »Verbinden Sie mich mit dem Café ›Caves du Beaujolais‹.«
    Während er wartete, blickte er aus dem Fenster. Jenseits der Seine, wo der Quai des Grands-Augustins zum Pont Saint-Michel hin ansteigt, konnte er die schmale Vorderfront eines Bistros erkennen, in dem er ab und zu ein Glas an der Theke getrunken hatte. Er erinnerte sich, dass man eine Stufe hinuntersteigen musste, dass es in dem Raum kühl war und dass der Wirt eine schwarze Küferschürze trug. Ein vor dem Lokal parkender Lastwagen versperrte die Sicht auf die Tür. Auf dem Gehsteig gingen Leute vorüber.
    »Sehen Sie, Herr Kommissar …«
    »Bitte noch einen Augenblick, Madame.«
    Und Maigret stopfte sich mit Sorgfalt seine Pfeife, den Blick weiterhin unverwandt aus dem Fenster gerichtet.
    Die alte Frau mit ihren Giftgeschichten würde ihm noch den ganzen Vormittag stehlen, wenn nicht mehr. Sie hatte allerlei Papiere mitgebracht, Pläne, Bescheinigungen, ja sogar Lebensmittelanalysen, die sie vorsichtshalber von ihrem Apotheker hatte machen lassen.
    »Ich war von Anfang an misstrauisch, verstehen Sie?«
    Sie roch nach einem widerlichen Parfüm, das sich im ganzen Büro verbreitete und den guten Pfeifengeruch völlig verdrängt hatte.
    »Hallo? Haben Sie die Nummer, um die ich Sie gebeten
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