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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter
Autoren: Georges Simenon
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das 1. Arrondissement. Ich habe das Kommissariat angerufen und gebeten, man solle alles unverändert lassen … Wie? … Gut. Wenn Sie wollen … Ich schicke Ihnen ein Taxi.«
    Seufzend beobachtete Madame Maigret, wie ihr Mann in die Hose schlüpfte und nach seinem Hemd suchte.
    »Glaubst du, dass es lange dauern wird?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hättest du nicht einen Inspektor hinschicken können?«
    Als sie ihn im Esszimmer das Büfett öffnen hörte, wusste sie gleich, dass er sich noch einen Calvados eingoss. Dann kam er noch einmal zurück, um seine Pfeifen zu holen, die er vergessen hatte.
    Das Taxi wartete schon. Die Boulevards waren fast menschenleer. Über der grünlichen Kuppel der Oper stand, größer und leuchtender als sonst, der Mond.
    An der Place de la Concorde standen zwei Autos am Gehsteigrand, unweit der Tuilerien. Dunkle Gestalten liefen geschäftig hin und her.
    Das Erste, was Maigret bemerkte, als er aus dem Taxi stieg, war der helle Fleck eines beigen Regenmantels auf dem silbrig glänzenden Gehsteig.
    Während die Polizisten in ihren Pelerinen zurücktraten und ein Inspektor des 1. Arrondissements auf ihn zutrat, murmelte er:
    »Es war also doch kein Scherz. Sie haben ihn gekriegt.«
    Man hörte das Rauschen der ganz in der Nähe dahinfließenden Seine, und fast lautlos glitten Wagen vorüber, die von der Rue Royale zu den Champs-Elysées fuhren. Die roten Leuchtbuchstaben des ›Maxim’s‹ funkelten durch die Nacht.
    »Ein Messerstich, Herr Kommissar«, meldete Inspektor Lequeux, den Maigret gut kannte. »Wir haben auf Sie gewartet, damit wir ihn wegbringen können.«
    Warum spürte Maigret schon in diesem Augenblick, dass etwas nicht stimmte?
    Die Place de la Concorde, in deren Mitte der weiße Obelisk aufragt, war zu groß, zu kühl und zu weit. Irgendwie passte sie nicht zu den Telefonanrufen am Morgen, und auch nicht zum Café ›Aux Caves du Beaujolais‹, zum ›Tabac des Vosges‹ und zum Restaurant ›Quatre Sergents‹ am Boulevard Beaumarchais.
    Bis zu seinem letzten Anruf, bis zu dem Brief, den er auf dem Postamt im Faubourg Saint-Denis abgegeben hatte, hatte sich der Mann innerhalb eines Viertels mit engen, belebten Straßen bewegt.
    Würde sich jemand, der sich verfolgt weiß, der spürt, dass ihm ein Mörder auf den Fersen ist, und der jeden Augenblick damit rechnet, dass ihm der tödliche Schlag versetzt wird, auf die gleichsam im Unendlichen sich verlierende Weite einer Place de la Concorde hinauswagen?
    »Ihr werdet sehen, dass er nicht hier ermordet worden ist.«
    Eine Stunde später sollte man den Beweis dafür haben, als der Polizist Piedbœuf, der vor einem Nachtlokal in der Rue de Douai auf Wache stand, seinen Rapport machte.
    Vor dem Kabarett hatte ein Auto gehalten, dem zwei Männer im Smoking und zwei Frauen in Abendkleidern entstiegen. Sie waren alle fröhlich, ein wenig angeheitert, vor allem einer der Männer, der, als die anderen schon im Lokal verschwunden waren, noch einmal zurückgekommen war.
    »Hören Sie, Wachtmeister. Ich weiß zwar nicht, ob es richtig ist, dass ich Ihnen das sage, denn ich möchte nicht, dass man uns den Abend verdirbt … Aber egal! Machen Sie damit, was Sie wollen … Vorhin, als wir an der Place de la Concorde vorbeigefahren sind, hat vor uns ein Auto gehalten. Ich saß am Steuer und habe gebremst, weil ich dachte, die hätten eine Panne. Sie haben irgendetwas aus dem Wagen gezerrt und auf den Gehsteig gelegt. Ich glaube, es war eine Leiche …
    Das Auto war ein gelber Citroën mit Pariser Nummer, und die beiden letzten Ziffern waren eine 3 und eine 8.«

2
    In welchem Augenblick wurde Nines Mann Maigrets Toter, wie man ihn später bei der Kriminalpolizei zu nennen pflegte? Vielleicht schon bei der ersten Begegnung, wenn man es so sagen kann, in jener Nacht an der Place de la Concorde. Inspektor Lequeux jedenfalls war über das Benehmen des Kommissars äußerst erstaunt. Es war schwer zu sagen, inwiefern es anders als sonst war. Bei der Polizei ist man an den gewaltsamen Tod gewöhnt, an den Anblick der seltsamsten Leichen, mit denen man mit berufsmäßiger Gleichgültigkeit umgeht, wenn man nicht sogar Witze über sie reißt, wie die Assistenzärzte in den Wachsälen. Übrigens schien Maigret auch nicht eigentlich ergriffen zu sein.
    Aber warum zum Beispiel beugte er sich nicht wie sonst als Erstes über die Leiche? Er zog vielmehr ein paarmal an seiner Pfeife, blieb mitten unter den uniformierten Polizisten stehen, unterhielt
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