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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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waren ihre Augen voller Angst. Aneinandergedrängt wie die Schafe einer Herde folgten sie uns zu ihren Unterkünften. Dabei hielten sie sich Schutz suchend an den Händen. Man sah ihnen an, wie verloren sie sich fühlten. Sie taten mir leid. Ich dachte an die Frauen im Fledermausturm. Nein, das hier war nicht das Paradies, das wir ihnen versprachen.
    »Wann kommen die Männer?«, wollte ich von Karras wissen.
    »Später. Die Frauen brauchen Zeit, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen.«
    »Kann ich sie bis dahin aufsuchen?«
    »Nein, halte dich fern von ihnen.«
    In der Nacht hörte ich Flötenspiel, Lachen und Händeklatschen. Es klang fröhlich.
    Zwei Tage später kamen die Männer. Für sie gab es keinen Empfang im Hafen. Sie wurden während der Nacht an Land gesetzt. Ihre Ankunft war nicht zu überhören. Das Stimmengewirr aus den Liebesgrotten schwoll lautstark an.
    Auch die Skarabäen schienen sich verändert zu haben. Ihre Stimmen klangen männlicher als sonst, tiefer und lauter. Die Art, wie sie ihre Schultern streckten und die Muskeln spielen ließen, der Gang, ihr Lachen.
    Sie balzen, dachte ich. Wahrhaftig, sie balzen wie die Tauben. Sie erleben sich offensichtlich nicht nur als Betreuer, sondern auch als Akteure. Wie kann es anders sein. Sie sind Männer, gesund und keinesfalls liebesunfähig, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Wie schwer muss es ihnen fallen, untätig mit anzusehen, wonach sie sich ganz gewiss sehnen.
    Ob sie sich wie die Ordensfrauen selbstbefriedigen? Ob Männer Männer lieben können, so wie ich Merimé geliebt habe?
    »Findest du es nicht grausam, wenn Durstige mit ansehen müssen, wie andere ihren Durst stillen?«, habe ich Estragon gefragt. »Wäre es nicht auch in eurem Fall besser, den Geschlechtstrieb hormonell zurückzustauen, wie das mit den Blühenden geschieht?«
    Der Alte schüttelte den Kopf und sagte: »Die Sexualität durchdringt einen Menschen bis in die höchsten Gipfel seiner Geistigkeit. Ohne sie wären wir nicht, was wir sind. Das gilt besonders für Männer. Männer sind bis in den Urgrund ihres Wesens Kämpfer. Schon die Spermien müssen einen gnadenlosen Kampf miteinander austragen, um eine Eizelle für sich zu gewinnen. Jeder von uns lebt nur, weil er in dieser Schlacht auf Leben und Tod die anderen besiegt hat. Für jeden Mann, aber auch für jede Frau gilt: Ich war das schnellste und vitalste Spermium in einer Gruppe von vielen tausend Mitbewerbern.«
    Ich sagte: » In unseren Adern fließt kein Testosteron. Für gesunde Männer aber muss die fleischliche Verlockung gewaltig sein.«
    »Ja, du hast recht, es wäre grausam, ihnen zu verweigern, wonach sie sich verzehren. Sie würden ihrer inneren Ruhe beraubt. Man kann nicht gut denken, gut arbeiten, gut schlafen und träumen, wenn man nicht lustvoll zu lieben vermag.«
    »Und wie löst ihr das Problem?«, wollte ich wissen.
    »Indem wir tun, was die Natur verlangt.«
    »Du meinst, ihr …« Ich wagte nicht, den Satz zu Ende zu sprechen.
    »Wir sind dazu gezwungen«, sagte Estragon. »Denn während die Fruchtbarkeit der Frauen durch die Verzögerung der Pubertät kaum beeinflusst wird, sind die meisten Männer nach lebenslanger sexueller Untätigkeit nicht mehr zeugungsfähig. Sie sind geil und potent wie brünstige Hirsche, aber ihr Samen ist unfruchtbar. Ihnen gehören die Frauen vier Tage lang. Dann nehmen wir uns ihrer an, um die, die leer ausgegangen sind, mit Leben zu füllen. So erreichen wir, dass alle geschwängert werden. Zu dem Zeitpunkt sind die Männer der Blühenden schon so geschwächt von dem Liebesspiel, dass sie ihr Leben ausgehaucht haben.«
    »Und die Frauen, was geschieht mit den Frauen?«
    »Auch sie sind am Ende von der mehrtägigen Balz so erschöpft, dass sie in tiefen Schlaf versinken, aus dem sie nicht wieder erwachen.«
    Seit Tagen brannte die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Die Hitze schien sich auf die Skarabäen zu übertragen. Ihre nackten Oberkörper glänzten vor Schweiß. Sie benahmen sich wie Menschen, die auf etwas warten. Und ich wusste, worauf.
    Sie vermochten ihre Erregung nicht zu unterdrücken, so wie Harun, der an seinen Fingernägeln herumfeilte, um Gelassenheit zu demonstrieren, während Alban mit einem Stock Figuren in den Sand zeichnete und der Bücherwurm die Tauben fütterte, und das seit Stunden, sodass die sonst so hungrigen Vögel schon längst keine Körner mehr mochten.
    Am dritten Tag nach der Ankunft der Männer erreichte die Spannung unter den
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