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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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die Magna Mater hat auch keine Stimme. Sie redet zu uns durch den Mund ihres Sprechers, der sie ständig begleitet wie ein Schatten.
    »Woher weiß er, was die Magna Mater gesagt haben will?«, habe ich Mater Metula gefragt, und sie hat gesagt: »Die Blühenden glauben, es passiert durch Gedankenübertragung. In Wahrheit flüstert sie ihm wohl hinter der Maske zu, was sie verkündet haben will. Der Sprecher ist der einzige Mann im Orden. Er verleiht der Magna Mater die Stimme, die ihrem hohen Rang zukommt: einzigartig kraftvoll und unverwechselbar.«
    Meine erste Begegnung mit der Maske – wie lange ist das her? Fast ein ganzes Menschenleben. Aber noch immer ergreift mich bei ihrem Anblick ein Grauen, auch jetzt, als sie zum allerersten Mal aus der Großen Halle tritt. Es ist nicht die ehrfurchtsvolle Scheu, die alle anderen empfinden, sondern das Grauen vor dem Geheimnis aller Geheimnisse, das Wissen von dem, was nicht sein darf:
    Hinter dieser Maske steckt mein Fleisch und Blut.

2. KAPITEL
    I ch bin eine Morituri. Meine Vorfahren lebten auf der anderen Seite unseres Planeten im alten Europa. Unser Geschlecht reicht zurück bis in die Zeit, als es in Rom noch einen Papst gab, der sich für den Stellvertreter Gottes auf Erden hielt. Einer meiner Vorfahren gehörte sogar zur Priesterkaste, die die Kunst der Magie beherrschte. Sie konnten Wasser in Wein … nein, das nicht, aber sie konnten Wein in Blut verwandeln und gebackenes Mehl in Fleisch. Sie schafften es sogar wunderbarerweise, mit Hilfe von geweihtem Wasser den Menschen eine unsterbliche Seele einzutröpfeln. Und damit nicht genug, behaupteten sie, das ganze Universum sei von einer Gottheit erschaffen worden, besonders einfältige Naturen glaubten sogar, in einer Woche. Andere sprachen vom Urknall, einer abergläubischen Variante des Schöpfungsaktes, an die die Wissenschaftler des Atomzeitalters glaubten.
    Der damalige Mensch war nicht in der Lage, sich vorzustellen, dass etwas schon seit ewigen Zeiten besteht und immer sein wird, wenn auch in stetigem Wandel, denn auch der ist ewig. Nur bei Gott hatte man keine Schwierigkeiten sich vorzustellen, dass etwas ohne Anfang und Ende existieren könnte. Dabei hätte man gerade bei ihm einsehen müssen, wie falsch diese Annahme ist. Auch Götter haben ihre Verfallsdaten. Vor dem Bibelgott regierten Jupiter, Mars und Venus die Welt. Davor waren es Zeus und Apollo. Und woanders und noch weiter zurück waren es Wotan, Baal, Astarte, Manitu, Isis, Kali und wie sie alle geheißen haben mögen.
    Ausgestorben sind sie wie die Saurier und die Mammuts. Es war ein langer und schmerzvoller Weg, bis wir endlich die letzte Gottheit zu Grabe getragen haben. Es war die Geburtsstunde einer neuen Zeitrechnung. Die alte hatte mit Christi Geburt begonnen, mit der Geburt eines jungfräulich gezeugten Gottessohnes, der zu Lebzeiten Tote wiederauferweckte und als Leichnam wiederauferstand, um gen Himmel zu fahren.
    Jahrtausendelang hat diese kindliche Vorstellung den Kalender der Menschen beherrscht, auch dann noch, als die meisten schon nicht mehr daran glaubten. Eine neue Zeitrechnung musste her. Es war die Geburtsstunde des wahren Menschen, der erst jetzt seinen Namen zu Recht trägt: Homo sapiens
    Die Raupe ist tot. Es lebe der Schmetterling!
    Wenn sich zwei Gottgläubige der alten Zeitrechnung begegneten, so begrüßten sie sich mit »Cum deo«, »der Herr sei mit dir«, »Adieu« und »Grüß Gott«. Kein Gruß ohne den Allmächtigen. Zur Erinnerung an diese überwundene Kinderkrankheit begrüßen wir uns heute mit Gott war gestern.
    »Wie ist es möglich«, so fragen mich meine Schüler, »dass intelligente Menschen solch abartigen Unsinn für wahr halten konnten? Sie waren doch nicht dumm, wie die hohen technischen und wissenschaftlichen Leistungen aus jener Zeit bezeugen.«
    Und ich antworte ihnen dann: Hütet euch vor der Vergangenheit! Sie ist eine gefährliche Verführerin. Die Menschen sind erstaunlicherweise bereit, die unwirklichsten Dinge zu glauben, wenn sie nur lange genug zurückliegen. Das hat seine Ursache in unserem ganz persönlichen Leben. Wir können uns sehr wohl daran erinnern, was vor ein paar Jahren war, aber wie war das doch noch, als ich ein Säugling war, bei meiner Geburt oder noch davor? Das war ich doch auch, und doch war ich es irgendwie nicht. Je weiter wir in unserem Leben zurückgehen, desto mehr verliert sich die Wirklichkeit im Unbegreifbaren und öffnet damit dem Wunder Tür und Tor. Und was
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