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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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Augen leuchteten vor übermütigem Glück. Er strich sich lachend über den Bauch und griff sich ohne Scham an sein Glied. Ich aber hätte am liebsten mein Gesicht verhüllt. Mein Verhältnis zu den Männern hatte sich verwandelt, und zwar in einer Art, die mich tief beunruhigte. Diese Unruhe verfolgte mich bis in meine Träume. Es waren sehr sinnliche Träume.
    »Wie kann ich als Frau zwischen Männern leben, die von ihrem Geschlechtstrieb beherrscht werden wie Tiere?«, habe ich Estragon gefragt, und er hat mir erklärt: »Die Brunft der Tiere währt nur wenige Tage und geht ausschließlich von den Weibchen aus. Kein Hengst würde eine Stute besteigen, die nicht heiß ist, kein Rüde eine Hündin. Das ist bei allen Säugetieren so. Und der Mensch ist ein Säugetier, wenn auch bisweilen ein sexuell entartetes, wie wir aus der Vergangenheit wissen. Wir haben den ausgeuferten Wildstrom der sexuellen Sinnlichkeit kanalisiert. Meine Männer befinden sich im Einklang mit der Natur.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Sie bedürfen der Geilheit des anderen Geschlechts. Die hormonell behandelten Frauen, die uns gebracht werden, sind so liebeshungrig wie heiße Hirschkühe. Sie wecken in meinen Männern tierische Triebe. Alle anderen Frauen lassen sie kalt.«
    Seine Augen leuchteten, als er sagte: »Sexualität ist die Sprache, in der das Tier und der Gott in uns sich miteinander verständigen. Wobei mit Gott natürlich nicht der geschlechtslose Jehova der Bibel gemeint ist, sondern das Mysterium der Mikroben.
    Die Priester der Kirche verkündeten, wichtiger als das sündige Fleisch sei die unsterbliche Seele, und die trügen wir in unseren Herzen. Die Wissenschaftler des Aromzeitalters verlegten sie ins Gehirn. In Wahrheit befindet sich die alles durchdringende spirituelle Kraft nicht in unseren Köpfen, sondern in unseren Hoden, bei der Frau im Eierstock. Hier lebt das wahrhaft Unsterbliche unserer selbst, nämlich die Gene. Sie lassen sich zurückverfolgen bis an den Anfang allen Lebens, wobei jede Generation von Genen für kurze Zeit in einem Leib wohnt und dann weitergereicht wird. Diese Wohnung auf Lebenszeit sind wir selbst. Wer glaubt, er sei wichtiger als seine Gene, irrt. Wir sind nichts weiter für sie als leicht verderbliche Behälter auf ihrem langen Weg durch die Zeit. Ein Huhn ist nur die Methode eines Eies, mehr Eier zu produzieren.«
    Er fing meinen zweifelnden Blick auf und erklärte: »Die Spermien sind nicht fest mit dem Körper verwachsen wie Haut, Herz oder Augen. Sie sind befähigt, den Leib zu verlassen und sich selbstständig durch einen weiblichen Körper zu kämpfen, eine hoch komplizierte mehrtägige Reise, die nur einer unter Millionen überlebt.«
    Es klang stolz, als er von seinen Spermien sprach. »Jeder von uns ist das letzte Glied einer ununterbrochenen Reihe. Keiner unserer Urahnen, keiner unserer tierischen Vorfahren und keiner von deren einzelligen Vorfahren ist je gestorben, bevor er Nachkommen hervorgebracht hat.
    Das Schlimmste, was einem Gen passieren kann, ist, dass die Fortpflanzung seines Menschen ausbleibt. Dann endet die fast vier Milliarden Jahre alte Kette. Ihre potenzielle Unsterblichkeit erlischt. Wir Skarabäen tragen die Verantwortung dafür, dass das nicht geschieht. Ich erzähle dir das, Schwester« – es war das erste Mal, dass er mich »Schwester« nannte –, »um dir vor Augen zu führen, dass das, was du hier erlebt hast, mehr als wollüstige Triebbefriedigung ist. Sexualität ist auch weit mehr als Fortpflanzung. Nur durch Sexualität ist es uns möglich, in einer Welt voller Mikroben zu überleben. Wie du weißt, wird bei jedem Zeugungsakt das Erbgut der Mutter mit dem des Vaters neu gemischt. So entsteht immer wieder ein einzigartiges, neues Lebewesen. Wäre das nicht der Fall, so wäre der Neugezeugte mit allen anderen genetisch identisch und damit eine leichte Beute für Krankheitserreger. Sie könnten dann gleich die ganze Population dahinraffen.
    Dass geschieht nicht nur zu unserem Schutz, sondern auch im Interesse der Bazillen und Viren. Es kann nicht in ihrer Absicht liegen, eine ganze Population auf einen Schlag auszulöschen. Sie brauchen uns, wie wir sie brauchen. Viele wichtige Körperorgane funktionieren überhaupt nur, wenn bestimmte Bakterien vorhanden sind. Tiere, die in absolut keimfreier Umgebung aufgezogen werden, sterben. Deshalb bekämpfen wir den kleinen Gott nicht. Wir leben mit ihm. Wir verdanken ihm unser Leben.«
    Der Alte redete mit weit
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