Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
Vom Netzwerk:
Tiere. Sie töten Tiere, um sie über dem Feuer zu grillen. Manchmal legen sie sie auch in siedendes Wasser, um sie weich zu kochen.«
    »Und wie töten sie ihre Opfer?«
    »Früher, so heißt es, haben sie ihnen mit einem scharfen Messer die Halsschlagadern durchtrennt. Danach zogen sie den noch warmen Tieren die befellte Haut vom Leib und schlitzten ihnen die Bäuche auf.«
    »Oh, wie entsetzlich!«
    »Ja, es sträuben sich einem die Haare bei der Beschreibung dieses barbarischen Hergangs«, sagte der Lehrer und verzog angewidert den Mund. »Sie haben den Kälbern die Augen ausgestochen, um aus ihren Köpfen eine wabbelige Masse zu kochen, die sie Kalbskopfsülze nannten. Und die entleerten Därme füllten sie mit zermanschten Innereien. Wurst hieß dieser unappetitliche Fraß.«
    »Pfui Teufel! Und so etwas fressen diese Urmenschen hier im Reservat?«
    »Nein, die bekommen vegetarische Kost«, erklärte ich, »obwohl es sich nicht verhindern lässt, dass sie sich hin und wieder einen Vogel oder Hasen fangen. Sie sind halt Allesfresser wie die Ratten und die Bären.«
    »Wie viele Urmenschen leben hier?«, wollte ein Schüler wissen.
    »Frag den Ranger«, riet ich ihm, und als der sich später zu der Gruppe gesellte, erklärte er: »Im Reservat leben derzeit achtzehn Familien und ein halbes Dutzend Einzelgänger. Ihre steinernen Behausungen befinden sich auf der anderen Seite des Parks. Bei der Aufzucht ihrer Jungen wollen sie nicht gestört werden.«
    »Gebären sie wirklich wie die Tiere?«, fragte eine Schülerin mit Lockenkopf.
    »Ja, sie tragen ihre Kinder im Bauch aus und quetschen sie bei der Geburt aus sich heraus, wie das die Säugetiere tun. Sie stillen sie sogar, wie ihr jetzt sehr schön beobachten könnt.«
    Die Urmenschen-Mutter hatte sich ihr Junges an die Brust gelegt, wo es gierig schmatzte. Die Milch rann ihm aus den Mundwinkeln.
    »Wie ekelerregend ist das«, sagte der Lockenkopf. Und die anderen Kinder stimmten ihm zu.
    Der Besuch im Reservat hat nicht nur die Kinder aufgewühlt, auch mir ging die Begegnung mit unseren Urahnen nicht mehr aus dem Sinn. Gut, wir übertreiben da ein wenig der starken Bilder wegen. Natürlich liefen die Menschen am Ende der christlichen Zeitrechnung nicht mehr halb nackt wie die Wilden umher, aber sie waren im Vergleich zu uns Wilde und würden es bleiben, auch wenn wir ihnen im Park Jeans und T-Shirts anziehen würden. Doch wir könnten dann nicht mehr so eindrucksvoll ihre Leiber vorführen, affenartig behaart, faltig, gebrechlich die Alten und voller Pickel die Jungen, entstellt von Östrogen und Testosteron, aufgedunsen von Schwangerschaften.
    Die alte Menschheit war dabei, sich und die Erde zu zerstören. Trotz aller bewundernswerten Intelligenz fehlte es ihnen an gesundem Menschenverstand. Dabei gab es schon damals große Geister, die lehrten, die Vernunft sei das einzig wesentliche Kriterium des Menschen überhaupt. Einer hieß Emmanuel Kant. Man bewunderte ihn, aber zog nicht die richtigen Rückschlüsse aus der unumstößlichen Tatsache, die er damals formuliert hat:
    Drei Dinge stehen außerhalb aller Vernunft – die Religion, der Krieg und die Liebe.
    Wir haben die Vernunft von diesem dreifachen Ballast befreit. Die Fesseln der Religion wurden abgestreift. Schwierig erschien die Abschaffung der Kriege. Das hatte die Menschheit schon zu oft vergeblich versucht. Ganz und gar undenkbar aber erschien die Überwindung der Sexualität, des mächtigsten Triebes der belebten Natur und Ursprungs aller Gewalt.
    Brunft ist Brutalität, so habe ich es im Unterricht gelernt.
    Der Überlebenskampf in der Natur verlangt von den Männchen, dass sie um die Weibchen kämpfen. Siegenwollen, nein, Siegenmüssen, ist ein Urtrieb ihres Geschlechtes, was sich beim Menschen nicht zuletzt darin äußert, dass Kriege von Männern geführt wurden.
    Die Natur hat diese Kampfhähne nicht nur mit mehr Muskelmasse, sondern auch und vor allem mit Hormonen ausgestattet, die ihre Aggressivität anstacheln, allerdings erst mit dem Eintritt der Geschlechtsreife. Wenn es gelänge, die Menschen möglichst lange in einem vorpubertären Entwicklungszustand zu halten, so wäre das der richtige Schritt in Richtung Vernunft.
    Die Hormone, die man dafür benötigt, waren bekannt. Der Einwand, das sei unnatürlich, ließ sich leicht entkräften. In der Natur gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, in denen Reifeprozesse hormonell zurückgestaut werden, vom Axolotl, das seine Larvenform beibehält
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher