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Mafia Princess

Mafia Princess

Titel: Mafia Princess
Autoren: Marisa Merico
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in der Familie, das übliche Geschäft, korrupt, aber wirkungsvoll: Kontrolliere den Handel, befriedige die Nachfrage und fürchte niemanden, auch nicht die Beamten. Im Gegenteil, binde sie eng an dich, schmiere sie, besteche sie oder bring sie um. Mafia-Gesetz: Halte deine Freunde nah bei dir, deine Feinde noch näher. Das Ideal: Alle stehen auf deiner Gehaltsliste.
    So funktionierte es nicht immer. Manche Polizisten, wenn auch nicht viele, waren ehrlich, unterstanden einer Art Kontrolle durch die regionale Behörde oder waren gezwungen, gelegentlich eine Verhaftung vorzunehmen. Das hieß, dass viele in und um San Sperato – denn alle hatten irgendeine Verbindung zur »schwarzen« Wirtschaft – wenigstens für kurze Zeit im Gefängnis landeten.
    So erging es meinem Urgroßvater Domenico »Mico« Serraino, den man im Sommer 1947 wegen Raubüberfalls zu sechs Monaten Gefängnis verurteilte. Seine anderen rund fünfzig Vergehen in diesem Jahr zog keiner in Betracht, weil sie nie in den polizeilichen Unterlagen registriert worden waren.
    Domenico Serraino war bekannt als »der Fuchs«, denn List und Schläue besaß er im Übermaß. Seine Frau, meine Urgroßmutter Margherita Medora, stammte aus einer ähnlichen Familie. Sie waren Bauern, die kaum zur Schule gegangen waren, wenig Bildung hatten. Sein Horizont war eng: Söhne von Söhnen wurden auf ein Podest gehoben, Söhne von Töchtern waren der Aufmerksamkeit nicht wert. Enkel mit anderem Nachnamen durften nicht mit ihm am Tisch essen. Kamen sie in seine Nähe, verscheuchte er sie.
    Die Aufgabe meiner Großmutter war, ihrem Vater Mico Lebensmittel, Zigaretten und Wein ins Gefängnis zu bringen. Während dieser Besuche erhielten die Wärter ihr »Taschengeld«. Von der äußeren Erscheinung her war sie die typische süße Sechzehnjährige, doch sie war bereits voller List und Schläue wie eine echte Kalabresin, wahrhaftig die Tochter des Fuchses. So verfügte sie über genug Selbstvertrauen, um sich mit einem jugendlich aussehenden zwanzigjährigen Gefängniswärter, der während ihrer Besuche mit ihr geflirtet hatte, auf eine Romanze einzulassen. Zwischen ihnen hatte es gefunkt. Rosario Di Giovine war neu im Gefängnis, neu in der Gegend, aber durch Blutsverwandtschaft mit dem Süden verbunden. Sein Vater arbeitete in Rom im Strafvollzugswesen. Es war kurz nach dem Krieg, und Arbeit war schwer zu finden, also hatte sein Vater ihm diesen Posten beim Staat besorgt. Berufen dazu fühlte er sich ganz gewiss nicht.
    Trotzdem war ihm nicht klar, dass eine Beziehung zu Maria Serraino ihn das Leben kosten könnte. Dass schon ein kleiner Brief an sie gefährlich war.
    Auf keinen Fall konnte Großmutter einen Gefängniswärter nach Hause bringen und ihn der Familie vorstellen. Da hätte sie ja gleich die Polizei mitbringen können. Doch sie fand einen Weg. Sie bot an, die Wäsche für die Gefängniswärter zu waschen, um sich ein wenig Geld dazuzuverdienen. Das benutzte sie als Ausrede, um auch nach der Entlassung ihres Vaters weiter ins Gefängnis zu gehen. Und Rosario Di Giovine lernte schnell und wusste bald, wie es in Kalabrien zugeht. Sie hielten ihre Affäre geheim, und kurze Zeit später verließ mein Großvater den Strafvollzugsdienst und mied die Cafés und Bars, in denen die anderen Beamten verkehrten. Seine Zeit im Staatsdienst blieb nicht in seinem Lebenslauf. Es war, als habe es sie nie gegeben. Stattdessen wurde er Lastwagenfahrer, eine sehr nützliche Fähigkeit in der Familie Serraino.
    Rosarios Charme wurde auf eine harte Probe gestellt, denn Großmutters Vater und ihre Brüder beobachteten ihn genau. Damals wurde eine Frau nie mit einem Mann allein gelassen. Man brauchte immer eine Begleitperson. Wenn man zum Eisessen ausging, musste eine Anstandsdame dabei sein. Für Neuankömmlinge wie Großvater galt das erst recht. Als die beiden in die Berge ausrissen, merkte die Familie, was vor sich ging. Großmutter war schwanger. Es kam zu heftigen Wortgefechten zwischen Großvater und Großmutters Brüdern, doch die Umstände gewannen die Oberhand. Sie heirateten, und mein Vater Emilio kam zwanzig Tage vor Weihnachten im Jahr 1949 zur Welt. Die Dynastie Serraino/Di Giovine nahm ihren Anfang, und mit ihr die Fließbandproduktion von Babys.
    In jenen Nachkriegsjahren, mit Verstecken und Heimlichtuerei, mit Diebstahl und Schmuggel, war der Überlebenskampf hart. Die Bräuche Kalabriens wurden immer respektiert. Großmutter war schnell diejenige, die alles
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