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Mafia Princess

Mafia Princess

Titel: Mafia Princess
Autoren: Marisa Merico
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arbeiteten. Ich glaube, so fühlte sie sich besser, war überzeugt, die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Keiner aus der Familie ging je zur Beichte, denn alle waren überzeugt, der Priester müsse dann bezahlt werden, damit er den Mund hielt. Ich weiß nicht, ob Großmutter mit Gott Handel trieb, mit allen anderen in ihrer Umgebung tat sie es jedenfalls.
    Überall sonst wurden Geschäfte in aller Unbarmherzigkeit gemacht. Unvermittelt drängte Großmutter die Händler, die seit Jahrzehnten die Standbesitzer an der Piazza Prealpi belieferten. Es war ganz einfach. Großmutter war in der Lage, alles billiger zu verkaufen, und schließlich bezogen fast alle Ladenbesitzer und Markthändler an der Piazza tägliche Lieferungen zu Schleuderpreisen.
    Offiziell arbeitete Großvater Rosario als grundanständiger Lastwagenfahrer. Das war eine ziemlich durchsichtige »Tarnung«, die beweisen sollte, dass die Familie ein ordentliches Einkommen hatte. Das einzig Ordentliche an diesem Leben waren die eigentlichen Fahrten – über die Grenze in die Schweiz, wo Zigaretten zu unschlagbar niedrigen Preisen zu haben waren.
    Er und Emilio leiteten das Schmugglersyndikat. Emilio war erst fünfzehn, als er Chef einer Bande von zwei Dutzend Teenagern wurde, die immer wieder in die Schweiz fuhren, mit Geheimfächern unter den Rücksitzen ihres Fiat 500, die bei der Rückfahrt vollgestopft waren mit Kartons voller Schmuggelware. So wurden Tag für Tag gut zehntausend Schachteln Zigaretten bei Großmutter abgeliefert. Sie nahmen Brecheisen, um die Rücksitze nach vorn zu wuchten und an die versteckten Kartons zu kommen.
    Die anderen Händler waren gehörig verärgert. Sie beschwerten sich bei der Polizei. Uniformierte Beamte wurden regelmäßige Gäste im Haus, wobei sie stets mit einem oder zwei Zwanzigerpacks Marlboros und einem Kuss von Großmutter auf beide Wangen wieder verabschiedet wurden. Als sich das auf den Revieren herumsprach, wurden die Geschenke nach und nach üppiger: Schmuck, Champagner, eine Stereoanlage. Großmutters Talent, an billige Zigaretten zu kommen und sie ohne Einmischung der Polizei weiterzugeben, brachte ihr einen gewissen Ruf in Mailand ein. Bald war sie einer der wichtigsten Hehler und handelte auch mit anderer gestohlener Ware, ob es ein Autoradio oder eine goldene Rolex war, ein Kaschmirpullover oder ein gebrauchtes Videogerät. Hatte jemand irgendwo irgendetwas geklaut, brachte er es zu meiner Großmutter. Sie hatte als Erste das Recht der Ablehnung. Brachte ihr jemand eine gestohlene Ziege, zuckte sie nicht mal mit der Wimper; sie band sie fest, fütterte sie kugelrund und verkaufte sie zehn Tage später. Es gab nichts, was Großmutter nicht kaufte, und nichts, was sie nicht mit Profit weiterverkaufte.
    Und sie hatte etwas gegen Konkurrenz. Regte sich Opposition, regelte sie das auf kalabrische Art und beseitigte das Problem. Sie baute sich, in manchen Fällen mit Gewalt, einen Furcht erregenden Ruf auf. Da sie die Polizei in der Tasche hatte, drehte sich bald alles um die Di Giovines. Großmutter konnte zwar weder lesen noch schreiben, aber sie konnte Geld zählen. Sie war die Patin. Die Leute kamen zu ihr mit ihren Problemen, und sie half. Das schuf Loyalität und Kontakte.
    Sie leitete ihre Organisation mit Präzision und beherrschte sie mit militärischen Regeln. Musste jemand bestraft werden, unterrichtete man Emilio. Wenn er den Abzug betätigte, hatte ihm Großmutter fünf Minuten vorher gesagt, wohin er mit der Waffe zielen sollte. Die Piazza gehörte den Di Giovines, und meine Großmutter war der Meinung, die Mistkerle sollten kapieren, wer hier der Boss war. Emilio war ihr Vollstrecker, er schlug und trat die Leute halbtot. Er war klein, nur knapp ein Meter dreiundsechzig groß, weil er als Baby allergisch auf Milch reagiert hatte. Sie hatten ihn stattdessen mit Tomaten gefüttert, und die Ärzte meinten, der Kalziummangel habe sein Größenwachstum gehemmt. Trotz seiner Statur zweifelte niemand daran, dass er tödlich sein könne. Er stand in dem Ruf, unten herum groß zu sein, gut von der Natur ausgestattet. Sein Spitzname in der Familie war Canna Lunga , langes Rohr. Seine Brüder machten Witze darüber. Er war sehr attraktiv, hatte viel Ausstrahlung. Er hatte einfach das gewisse Etwas.
    Als Emilio noch jünger war, trug er Einlagen in den Schuhen, um größer zu erscheinen. Doch seine Großspurigkeit in den Straßen rührte von seinem Selbstbewusstsein her; ein kühner Napoleon war er,
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