Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mafia Princess

Mafia Princess

Titel: Mafia Princess
Autoren: Marisa Merico
Vom Netzwerk:
Waffen bei den getrockneten Nudeln; anstelle von Einkaufslisten gab es bei mir ganze Notizbücher voll von dubiosen Kontaktleuten für alle möglichen Aufgaben. Kochen war Therapie für Großmutter. Sie ging nie aus. Sie rauchte nicht, sie trank nicht. Ihre einzigen Interessen galten der Familie und dem Geschäft, auf kalabrische Art. Ich vergötterte sie. Immer fand sie Zeit für mich, egal welche Dramen sich gerade abspielten – und da wir eine italienische Familie waren, wussten alle bestens Bescheid über die jeweiligen Dramen. Sie waren nicht zu überhören! Es war alles sehr laut. Aber sogar der Lärm war tröstlich für mich. Er bedeutete, die Familie war um mich und ich war in Sicherheit. Dieser Lärm war meine Schmusedecke.
    Großmutter machte das Mittagessen für alle, die zufällig da waren, und Mums Aufgabe war das Abendessen, zu dem sich immer mindestens zwanzig Leute einfanden. Mum bekam allmählich das Gefühl dazuzugehören. Sie sprach sehr gut Italienisch, wenn auch durchsetzt vom Dialekt der Familie, einer Mixtur der Dialekte Kalabriens und Siziliens; und wenn sie einkaufen ging, verzauberte sie die Marktleute, die sie »blonde Sizilianerin« nannten.
    Doch ihr war klar, dass sie auf Dad nicht dieselbe Wirkung hatte. Sie hoffte inständig, sie würde dasselbe Herzklopfen fühlen, das Alessandro bei ihr ausgelöst hatte. Dass es zwischen ihr und Dad klappen würde. Dass er sich nicht mehr aufführen würde wie der Hansdampf in allen Gassen, der getrieben wurde von seiner Gier nach neuen Abenteuern, nach Mädchen und nach schnellen Autos. Doch was es wirklich bedeutete, das Blut der Familie Serraino/Di Giovine in sich zu haben, begriff sie nicht, und sie würde es auch nie begreifen. Die Worte Mafia oder ’Ndrangheta hörte sie zwar nie, denn die wurden nicht ausgesprochen. Es gab viel Geheimniskrämerei, aber wenn Emilio Geld mit dem Handel geschmuggelter Zigaretten verdiente, kam ihr das nicht allzu schlimm vor. Auf der Verbrechensskala erschien es ihr ein bisschen wie das Mitbringen von zu viel zollfreien Waren. So stellte die Familie den zunehmend schwunghaften Handel mit diesen Waren auch dar. Mum hörte, was sie hören wollte. Und das war klug von ihr, denn die ’Ndrangheta war dabei, sie als Mitglied anzuwerben.
    Dads Schmugglerbande, die unzählige Fahrten in die Schweiz und zurück unternahm, meist über die italienische Grenzstadt Lago di Lugano, bekam zunehmend Schwierigkeiten an den Grenzübergängen. Er beschloss, die Fahrten als Ausflüge von Touristen beziehungsweise Verliebten zu »tarnen« und schickte die Fahrer in Begleitung von Frauen aus. Und Dad selbst nahm Mum mit auf seine Touren. Es funktionierte: Der Druck durch die Polizei ließ nach, und die Menge an Zigaretten, die zu Großmutter gebracht wurden, verdoppelte sich innerhalb weniger Wochen.
    Dad gab sich Mühe, Mum nicht das ganze Ausmaß der familiären Geschäfte ahnen zu lassen. Aber das funktionierte nur bedingt. Sie sah ihn mit einer Waffe. Sie sah Polizisten mit drohender Miene kommen und frohgemut wieder abziehen. Wenn sie sich nach verwirrenden Ereignissen erkundigte, war die Antwort stets: »Mach dir keine Sorgen, kümmere dich nicht darum.«
    Die große Frage – die sie sich selber stellte – betraf das eigene Zuhause unserer kleinen Familie. Aus reinem Selbstschutz freute sie sich, wenn Emilio Geld nach Hause brachte. Sie hoffte, sich damit die Flucht aus dem Sardinenbüchsenleben bei Großmutter erkaufen zu können. Dass wir unsere eigene kleine Familie wären, nicht nur Teil des täglichen und zunehmend verrückten Hin und Hers bei Großmutter. Sie wollte mich in Italien großziehen, wo sie Freundschaften geschlossen hatte.
    Dieser Traum vom häuslichen Glück stand und fiel mit ihrer Beziehung zu Dad. Das Gefühl, dass sie ihn nicht aufrichtig liebte, konnte sie nicht ignorieren; die Umstände hatten sie zusammengebracht. Doch schwanger zu sein war keine Kleinigkeit, und ob sie sich nun mit ihm über einen anderen hinweggetröstet hatte oder nicht, die Regel lautete, dass man zusammenblieb und versuchte, das Beste daraus zu machen. Nun, so sah sie das jedenfalls.
    Nach dem ewig dauernden Drama auf dem Küchentisch bei meiner Geburt und nachdem sie mich schließlich in den Armen hielt, gewannen ihre Gefühle, ihr Herz und ihr Mutterinstinkt die Oberhand. Sinn ihres Lebens war es von nun an, für mich zu sorgen, und das wollte sie nicht als Alleinerziehende. Sie wollte, dass ich Vater und Mutter hatte.
    Dads
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher