Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mafia Princess

Mafia Princess

Titel: Mafia Princess
Autoren: Marisa Merico
Vom Netzwerk:
sprechen.
    Die Beamten von Preston, die auf Antrag der Serious Organised Crime Agency, der mit schwerem organisiertem Verbrechen befassten Behörde in London, tätig wurden, verhielten sich sehr freundlich. Sie nahmen meine Lebensumstände zur Kenntnis sowie meine Verantwortung für Frank und Lara. Ich erzählte ihnen von der Krebserkrankung meiner Mutter. An Ort und Stelle verhafteten sie mich nicht. Aber ich musste meinen Pass abgeben. Sie meinten, man werde mir ein Datum mitteilen, an dem ich in London vor dem Auslieferungsgericht zu erscheinen hätte, ein Termin, der möglichst schnell anberaumt würde.
    Es war, als sei in meinem Kopf eine Bombe explodiert. Ein Gedanke jagte den anderen. Um mich selber machte ich mir dabei keine Sorgen – ich würde meine Strafe absitzen, wenn es denn sein musste. Ich sorgte mich auch nicht so sehr um Lara, die inzwischen achtzehn und ein starkes Mädchen geworden war. Aber Frank war gerade erst neun. War ich am 21. Oktober, seinem Geburtstag, noch auf freiem Fuß? Und was ist mit Mum? Wie würde sie das alles verkraften?
    Ich war völlig aufgewühlt – aber dann übernahm mein zweites Ich, meine stärkere Persönlichkeit. Ich begann, Vorkehrungen zu treffen. Zunächst einmal musste ich gegen den Auslieferungsbeschluss vorgehen und anschließend sicherstellen, dass mit meiner Familie alles in Ordnung war, wenn ich wirklich zurück nach Italien ins Gefängnis sollte.
    Ich sprach ganz offen mit dem kleinen Frank – ich wollte nicht, dass man mich in Handschellen abführte, ohne dass er vorgewarnt war. Ganz egal, wie viele Leute mir versicherten, das Ganze sei absurd – ich war schließlich diejenige, die so eine Situation schon einmal durchlitten hatte. Ich wusste, dass jederzeit alles Mögliche passieren konnte. Also sagte ich Frank, dass ich eventuell fort müsste, aber dass es ihm gut gehen würde. Meine Beteuerungen hinderten ihn nicht daran, zu weinen und sich zu ängstigen, und mit jeder Träne wurde mein Kummer größer. Man glaubt, man wird verrückt, wenn man mit der Aussicht lebt, das eigene Kind kann einem weggenommen werden; da fängt man allmählich an durchzudrehen.
    Lara und ich konnten etwas unbelasteter über die Sache reden. Trotzdem folgte ein Schlag auf den anderen. Am selben Tag, als die Polizei von Preston bei mir vor der Tür stand, war Bruno in Italien aus dem Gefängnis entlassen worden. Er war jetzt regulär in Freiheit. Lara freute sich für ihren Vater, aber angesichts dessen, was um sie herum vor sich ging, konnte sie nur den Kopf schütteln.
    »Siebzehn Jahre – fast mein ganzes Leben – saß mein Vater im Gefängnis. Jetzt kommt er raus, und gleichzeitig versuchen sie, mir meine Mutter wegzunehmen. Was passiert denn hier?«
    Ich verstand ihre Verwirrung gut. Es war ein einziges Chaos. Aber ein Chaos, gegen das ich nichts tun konnte. Ich konnte nicht gegen die Regeln spielen. Und das war nicht gerade ein Trost. Als wir die Unterlagen studierten, die uns von den italienischen Behörden geschickt worden waren – der europäische Haftbefehl beschrieb mich als Mafia-Angehörige, die in den 70er-Jahren tätig wurde, einer Zeit, als ich noch ein Kleinkind war –, konnten wir das kaum begreifen. Sogar das Lachen zu unterdrücken fiel uns schwer. Die ganzen Unterlagen waren voller Fehler. Aber egal, wie lachhaft manches schien, ich wusste, wie ernst die Lage war.
    Es gibt kaum etwas Schlimmeres als anonyme Bürokratie.
    Am 1. Oktober 2009 erschien ich vor dem Amtsgericht in der Horseferry Road in Westminster, London. Mein Köfferchen zog ich auf Rollen hinter mir her. Trevor Colebourne war früh am Morgen mit dem Zug gekommen, doch ich hatte nicht das Risiko eingehen wollen, zu spät zu erscheinen. Also hatte ich die Nacht zuvor in einem billigen Hotel in Gerichtsnähe verbracht. Im Grunde ging es um eine reine Formsache, aber meine Nerven waren am Boden. Im Eingangsbereich war es ruhig, die Leute flüsterten miteinander. Ich wurde von einem Polizisten in einen Nebenraum geführt. Dort wurde mir offiziell die Verhaftung verkündet. Doch in eine Zelle brachte man mich nicht. Stattdessen betraten wir einen modernen Gerichtssaal, um zu hören, ob man mich bis zu einer Entscheidung über die Auslieferung einsperren würde oder ob ich gegen Kaution zu entlassen sei.
    Das Gericht hatte gegen meine Freilassung nichts einzuwenden; man schlug vor, ich sollte mich in regelmäßigen Abständen von zu Hause aus telefonisch melden, um zu beweisen, dass ich nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher