Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vampire Earth 4 - Saat der Nacht

Vampire Earth 4 - Saat der Nacht

Titel: Vampire Earth 4 - Saat der Nacht
Autoren: E. E. Knight
Vom Netzwerk:
1
    D er Ouachita Forest in Arkansas im Dezember des achtundvierzigsten Jahres der kurischen Herrschaft: Die Kiefern gleichen farblosen Spindeln unter einem winterlichen Himmel. Rundherum kauern düster die Berge der Ouachitas, deren Gipfel die Wolkendecke berühren. Wassertropfen hängen wie frisch gefallen an Ästen, Stämmen, Laub und Gestein; die Erde unter dem toten Laub riecht nach Verfall. Vögel drehen die Blätter um und stochern still im Wurzelwerk herum, laufen umher, als fehlte ihnen der Mut zu fliegen. Braunes Farnkraut liegt flach an Ufergestaden neben reifbedeckten Moosen, die wie Schorf zerfallen. Selbst der Wind scheint lustlos und sickert mehr durch die Nadelbäume, als dass er weht.
    Kahle Felszungen, durchzogen von glänzenden Quarzadern, ragen in alle Richtungen auf wie das Werk eines Riesen, der versucht hat, den Berg selbst aus der Erde zu reißen. Die Gesteinsschichten der Ouachitas wurden vor Jahrmillionen durch die Kollision der Erdplatten aufgeworfen und ineinandergeschoben. Mit ihren Irrwegen,
die nirgendwohin führen, den von drei Seiten geschlossenen Felsschluchten und den sich dahinschlängelnden Kammlinien laden diese uralten Berge nicht zur Besiedelung ein, doch das Gebirge bot einst freiheitsliebenden Indianern, unbelehrbaren Konföderierten und gesetzlosen Räubern eine Zuflucht - die berüchtigte Younger-Bande, der auch die Gebrüder James angehörten, verkroch sich hier. Zwischen den Felsen liegen Farnblätter wie zertretene Spinnen in Stiefelabdrücken und Hufspuren, die auf eine ähnlich überstürzte Flucht vor den Mächtigen der Welt schließen lassen.
    Die Verursacher dieser Stiefelabdrücke marschieren mit lautem Krachen über den gefrorenen Boden der Gebirgsgipfel. Sechs schmutzstarrende Gestalten wandern mit den sonderbar steifen Bewegungen von Menschen, die am Ende ihrer Kraft sind, durch das Gebirge, in ihrer Mitte ein Pferd mit einer Schlepptrage, auf der ein bewusstloser Mann mit blutverkrustetem Haar liegt. Zwei Männer mit Dreadlocks, die blaue Uniformen tragen, teilen sich unterwegs eine Decke und unterhalten sich leise im Dialekt der sonnenverwöhnten Insel Jamaika. Neben dem Pferd marschiert der Älteste unter ihnen, ein Mann von knapp eins neunzig mit einem fleischigen Gesicht, dem kantigen Kinn eines Boxers und dunkelbraunem Haar, zu früh durchzogen von erstem Grau. Seine Kleidung, eigentlich sein ganzer Körper, sieht aus, als wäre er in einen Mähdrescher geraten. Ein improvisierter Poncho wird in der Leibesmitte von einem breiten braunen Gürtel gehalten. Getrocknetes Blut befleckt die Stellen, die der Dreck übrig gelassen hat; Lumpen sind um Wunden an seinem linken Bein und seinem rechten Arm geknotet. Er treibt das Pferd mit einer Rute an, obgleich die gelegentlichen Hiebe höchstens dazu führen, dass das Tier einen Satz macht und gegen den Mann prallt, der es führt.
    Die führende Gestalt der kleinen Gruppe, die aussieht, als wäre sie doppelt so groß wie alle anderen, gehört einer fremden Spezies an. Sie wirkt so einschüchternd, man könnte auf die Idee kommen, jemand hätte sie von einer Kathedrale genommen und zum Schabernack zwischen die Kiefern Arizonas gepflanzt. Beim Gehen lehnt
sie sich nach rechts, und ein Arm, lang wie ein Zeltpfosten, stützt den Oberkörper. Ein noch längeres Gewehr hängt über ihren Schultern, festgeschnürt mit einem Streifen Leder wie das Joch eines Ochsen. Sie trägt Verbände um den Leib, ein strammes Korsett aus braungeflecktem Stoff, das die Breite der fleischigen, von goldenem Pelz bedeckten Schultern noch betont. Die Augen der Kreatur verändern sich, weiten sich und werden sogar ein wenig feucht, als sie in der Ferne eine Gestalt zwischen den Bäumen erblickt, die im Laufschritt auf die kleine Gruppe zukommt.
    Der junge Mann, den der affenartige Humanoide sieht, tut jeden Schritt mit Bedacht, denn auf dem feuchten Laub am Hang ist eine Fußspur für das erfahrene Auge so leicht zu erkennen wie eine ganze Reihe Leuchtfackeln. Er belastet vor allem das linke Bein und tastet sich mit dem rechten über den schwierigen Boden auf dem Berg voran. Sein glänzendes schwarzes Haar und die bronzene Haut lassen vermuten, dass er nicht nur im Geiste verwandt ist mit den Osage, die einst in diesen Bergen gejagt haben; er bewegt sich wie sie, fließt mit der Geschwindigkeit eines sommerlichen Baches von Ort zu Ort, mal schneller, mal langsamer, manchmal überraschend regungslos, wenn er innehält, um das Terrain zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher