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Maerchenmond - Das Buch zum Musical

Maerchenmond - Das Buch zum Musical

Titel: Maerchenmond - Das Buch zum Musical
Autoren: Wolfgang und Heike Hohlbein
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Brennen seiner eigenen Tränen, die es ihm vorgaukelten – aber für einen ganz kurzen Moment glaubte er, ein schmales und schrecklich bleiches Gesicht zu sehen, das ihn aus dem spiegelnden Glas heraus ansah.
    Dann blinzelte er, und der Spuk war so schnell verschwunden, wie er gekommen war. Trotzdem blieb er mit klopfendem Herzen noch einen Moment stehen und fragte sich, ob es tatsächlich nur Einbildung gewesen war oder … na ja, etwas anderes eben. Er hätte wahrscheinlich noch länger darüber nachgedacht, hätte sich sein Vater nicht schließlich auf eineganz bestimmte Art geräuspert und dann gefragt:
    »Ist alles in Ordnung, Kim?«
    Natürlich war rein gar nichts in Ordnung, aber Kim wusste, was sein Vater meinte, und beeilte sich nun, an Rebekkas Krankenbett heranzutreten. Jetzt brauchte er all seinen Mut, um den Anblick zu ertragen.
    Dabei sah Rebekka so friedlich aus, als schliefe sie nur … aber vielleicht war es ja gerade das, was es so schlimm machte. Ein Teil von ihm war beinahe erleichtert gewesen, als er hereingekommen war und seine Schwester nicht in dicke Verbände eingewickelt oder totenbleich und mit vor Krankheit ausgezehrtem Gesicht in ihrem Bett liegend vorgefunden hatte – und zugleich wünschte er sich fast, dass es so wäre. So schrecklich der Gedanke auch sein mochte … es wäre fast leichter zu ertragen, als sie so vermeintlich schlafend zu sehen, eingesponnen in ein Netz aus Schläuchen und Drähten und von piepsenden und blinkenden Apparaten umgeben, die sie zu belagern schienen wie eine Armee bizarrer verchromter Ungeheuer.
    »Hat der Arzt gesagt, wann sie wiederaufwacht?«, fragte er. »Ungefähr wenigstens?«
    Seine Mutter schüttelte stumm den Kopf. Auch sie hatte jetzt Tränen in den Augen, und die Stimme seines Vaters klang belegt, als er an ihrer Stelle antwortete: »Das wissen wir nicht. Und die Ärzte auch nicht. Sie geben es nicht zu, aber sie stehen genauso vor einem Rätsel wie wir.«
    Kim hatte ein seltsames Gefühl bei diesen Worten. Sie klangen … falsch in seinen Ohren. Der Kloß in seinem Hals war wieder da, noch schmerzhafter und bitterer als zuvor, und ganz plötzlich hatte er das Gefühl, angestarrt zu werden.
    Alarmiert sah er auf, aber da war nichts. Sie waren allein im Zimmer, abgesehen von der seltsamen männlichen Reinigungskraft. Der Mann sah aber nicht einmal in ihre Richtung, sondern konzentrierte sich ganz auf die Arbeit.
    Kim musste wieder an das bleiche Gesicht denken, das ihn – scheinbar – von der Fensterscheibe aus angesehen hatte. So verrückt ihm der Gedanke auch vorkommen mochte, er hatte mehr und mehr das Gefühl, dass es Rebekkas Gesicht gewesen war.
    Unsinn!
    »Aber es war doch nur eine harmlose Blinddarmoperation«, murmelte er nun in Richtung seines Vaters. »Wieso wacht sie dann nicht wieder auf?«
    Weil ich gefangen bin! Weil mich jemand festhält. Du musst mir helfen, Kim!
    Jetzt kostete es ihn wirklich all seine Willenskraft, nicht herumzufahren und zum Fenster zu sehen, aus dessen Richtung das unheimliche Flüstern zu kommen schien.
    Natürlich wusste Kim, dass es diese Stimme so wenig gab wie Rebekkas Gesicht im Glas. Beides war nichts als ein böser Spuk, mit dem ihn seine eigene Fantasie quälte – als ob die Wirklichkeit nicht schon schlimm genug wäre!
    »Es gibt keine harmlosen Operationen«, sagte seine Mutter leise. Sie streckte die Hand aus, um Rebekkas bleiche Wange zu streicheln. Einer ihrer verchromten Wächter begann protestierend zu piepsen, und sie zog den Arm so erschrocken wieder zurück, als hätte sie sich verbrannt.
    »Jede Narkose birgt ein gewisses Risiko«, bestätigte sein Vater traurig. »Sieweisen einen darauf hin, und man muss es sogar unterschreiben und tut es natürlich auch, weil man der Meinung ist, dass es sowieso immer nur die anderen trifft …«
    »Aber dann trifft es einen doch selbst«, führte Kims Mutter den Satz zu Ende. Ihre Stimme war ganz leise. Tränen liefen über ihr Gesicht. »Ich fühle mich so schrecklich hilflos! Niemand kann ihr helfen!«
    »Sie wacht einfach nicht auf?«, fragte Kim, obwohl er die Antwort längst kannte. Doch er konnte einfach nicht begreifen, was mit seiner Schwester passierte. Auch seine Stimme zitterte jetzt, und plötzlich liefen ihm die Tränen über die Wangen. Aber er schämte sich ihrer nicht.
    »Bestimmt wacht sie wieder auf«, widersprach seine Mutter. »Sie ist stark! Sie wird kämpfen!«
    Aber meine Kraft reicht nicht. Du musst mir helfen, Kim! Du bist
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