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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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äußerlich ein Scheusal. Eigentlich sollten wir zwei wie siamesische Zwillinge zusammenhalten.
    »Und warum sind Sie nun hier, Beißelmann?« fragte Prof. Morus. »Wollen Sie mir eine Arie über Ihren Seelenschmerz vorsingen?«
    »Nein. Ich will mit!«
    »Was wollen Sie?« Morus blieb vor Verblüffung der Mund offen.
    »Mit Ihnen will ich gehen, Herr Professor. Ganz gleich wohin … ob nach Afrika oder in den Urwald, mir ist es egal.«
    Prof. Morus kratzte sich den Kopf. Die Überraschung klang ab, aber es blieb in ihm eine Traurigkeit zurück, die aus einer tiefen Ergriffenheit entstand.
    »Das wird nicht gehen«, sagte er langsam.
    »Warum nicht, Herr Professor?«
    »Wegen Ihrer Vergangenheit, Beißelmann.«
    »Aber ich habe doch nur …« Beißelmann würgte und rang plötzlich die Hände. »Herr Professor, ich bin doch ein ehrlicher Mensch geworden … ich … ich habe mich wenigstens bemüht, es zu sein …« Dr. Sambaresi, dachte er auf einmal. Das war ein Rückfall … aber ich habe ihn nicht umgebracht, nicht mit meinen Händen … er ist selbst gegen eine Wand gefahren … ich habe ihm nichts, gar nichts getan … nur Alkohol habe ich ihm gegeben und ein paar Schlaftabletten. »Ich bin doch ein ehrlicher Mensch geworden«, sagte er noch einmal.
    Morus nickte mehrmals. »Gewiß, gewiß. Aber es geht doch nicht.«
    »Sie brauchen mich nur mitzunehmen.«
    »Sie sind doch kein Regenschirm, den ich über den Arm hänge! – Mitnehmen! Bei einer solchen Ausreise sprechen mindestens zehn Dienststellen mit. Und jede wird sagen: Was? Ein ehemaliger Strafgefangener? Als Vertreter Deutschlands? Unmöglich!«
    »Wenn Sie sagen, daß Sie einen guten Krankenpfleger brauchen … Und ich bin doch ein guter Pfleger, nicht wahr? Wenn Sie sagen: ein Krankenhaus ist immer nur so gut wie sein Personal …«
    »Da haben Sie sogar recht, Beißelmann!«
    »Und ich weiß, daß Sie und ich da draußen eine neue Welt finden.«
    »Wieso?« Morus starrte Beißelmann an. »Was wollen Sie damit sagen? Wieso suche ich eine neue Welt?«
    Beißelmann sah den Professor aus seinen unergründlichen Augen lange an, ehe er eine Antwort gab. Morus hielt diesem Blick stand, auch wenn es ihm schwerfiel.
    »Ich weiß es, Herr Professor«, sagte Beißelmann langsam. »Wir sind wie Waisen auf dieser Welt, Sie und ich. Wir haben nur unsere Arbeit, unsere Kranken, unsere Hilflosen – und wenn wir denken ›ich‹, dann denken wir in Wirklichkeit an die anderen.«
    Prof. Morus wandte sich ab und ging ans Fenster. Über sein Gesicht zuckte es, und Beißelmann sollte dies nicht sehen.
    »Sie haben zuviel psychologische Werke gelesen, ohne sie zu verstehen«, sagte er grob. Beißelmann lächelte wie verträumt.
    »Ich habe mich selbst gelesen, Herr Professor.«
    »Jetzt fangen Sie an, penetrant sentimental zu werden. Machen Sie, daß Sie auf Ihre Station kommen, Beißelmann!«
    »Sofort, Herr Professor! Aber Sie werden an mich denken, nicht wahr?«
    »Ja. Aber machen Sie sich keine Hoffnungen.«
    »Ich danke Ihnen, Herr Professor.«
    Morus hörte die Tür klappen, erst dann wandte er sich um. Er starrte auf den Fleck, auf dem Beißelmann gestanden hatte, und schüttelte den Kopf, als käme er aus dem Wasser. Dann ging er langsam zum Schreibtisch zurück und drückte auf die Taste zum Vorzimmer.
    »Versuchen Sie, Herrn Ministerialdirigenten Dr. Willfahrt, in Bonn, privat zu erreichen. Nummer steht im Verzeichnis. Ja, und geben Sie die Verbindung zu mir durch.«
    Prof. Morus setzte sich und sah vor sich auf den Haufen von Berichten, Gutachten und Krankengeschichten. Mit einer Handbewegung schob er alles weg, als wolle er reinen Tisch machen. Nach wenigen Minuten klingelte es. Er hob den Hörer ab.
    »Der Herr Ministerialdirigent!« sagte die Sekretärin und gab das Gespräch frei. Prof. Morus stützte den Kopf in die linke Hand.
    »Ja, hier Morus. Guten Abend, Herr Ministerialdirigent. Ich rufe so spät in einer dringenden Sache an … Nein, nein, ich mache nichts rückgängig, es bleibt bei dem, was wir besprochen haben. Aber ich möchte noch jemanden mitnehmen. Ja, meinen Krankenpfleger, eine Perle, wenn man so sagen kann. Er könnte der Grundstock des neuen Personals sein, außerdem hätte er die Geduld, eingeborene Krankenpfleger anzulernen. Ja, wirklich eine ›rechte Hand‹. Wie er heißt? Beißelmann. Paul Beißelmann. Wegen doppelten Totschlags zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt und nach zehn Jahren begnadigt mit meiner Bürgschaft …«
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