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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mein Gott, was ist denn diese einsame Stimme? Was will der denn? Und der wandert aus? Soll er doch! Die Jasager waren in Deutschland immer beliebter als die Kritiker.
    Und so war Prof. Morus gegangen, wie es gar nicht anders möglich war: Keiner erschien, um ihn in Ehren zu verabschieden … niemand aus dem Ministerium, niemand von der Regierung, keiner von der Stadt, nicht einmal eine Abordnung der Universität. Er packte seine Sachen in der Klinik und gab den Schlüssel bei seiner Sekretärin ab, die seit zwei Tagen weinte. Er verkaufte über einen Makler seine Villa und alle seine Möbel. Er brach alle Brücken hinter sich ab, ein enttäuschter, vergrämter Mann, dem man nach dreißig Jahren medizinischer Arbeit und Forschung einen Tritt gab wie einer streunenden Katze, weil er es wagte, laut zu sagen, was er in Deutschland sah.
    Bevor er das Krankenhaus verließ, lud er alle Ärzte, Schwestern und Pfleger zu einem Abschiedstrunk in sein großes Chefzimmer ein.
    »Ich war immer unhöflich zu euch«, sagte er und blickte sich im Kreise um. »Ihr habt mich immer gefürchtet und oft auch verflucht … jaja, ich weiß es … Ihr habt mich als einen Despoten angesehen, als einen eingebildeten Affen, als den König unter euch! Glaubt mir, es war nötig, um diesen Betrieb hier so aufrechtzuerhalten, wie er es jetzt ist. Ich wünsche euch noch viele schöne Jahre …«
    Als der II. Oberarzt zu einer Entgegnung ansetzte und von bleibenden Erinnerungen begann, winkte Morus stumm ab und verließ sein Zimmer.
    Das war das letztemal, daß man ihn im Krankenhaus sah. Ein Abschied wie ein Verbannter.
    Nun fuhr die ›Usambara‹ aus dem Bremer Hafen, und der Schnee zog einen weißen Vorhang vor die wegschwimmende Heimat. Prof. Morus senkte den Kopf und wandte sich ab. Er ging unter dem Glasdach hinüber zu dem langen, geheizten Gang, eine Wandelhalle, in der man behaglich auf gepolsterten Liegestühlen ausruhen konnte.
    Nach wenigen Schritten blieb er wie festgefroren stehen. Um eine Ecke, in der ein Büfett aufgebaut war, bog eine große, etwas nach vorn gebeugte Gestalt. Sie trug einen unmodernen Mantel, der fast bis zum Boden reichte und die Länge des Körpers ins Unmeßbare dehnte. Prof. Morus zog das Kinn an.
    »Beißelmann …«, sagte er, als könne er es nicht glauben. »Was … was machen Sie denn auf der ›Usambara‹?«
    »Ich schwimme in den Süden, Herr Professor.« Beißelmanns Augen strahlten. Es war das zweite Mal, daß Morus bei ihm diese Augen sah. Sie hatten nichts mehr gemeinsam mit dem ausdruckslosen Fischblick, den man an Beißelmann kannte.
    »Aber ich denke …«
    »Es ist alles erledigt, Herr Professor. Man hat mir geglaubt, daß Frerich allein seine Frau und den Italiener erwürgt hat. Frerich ist jetzt in der Landesheilanstalt … er hat noch einen Nervenschlag bekommen; er ist gelähmt …«
    »Und wo wollen Sie jetzt hin?«
    »Nach Arusha, Herr Professor.«
    »Ich fahre nach Sansibar, Beißelmann.«
    »Dann sind wir zwei Wochen zusammen an Bord.«
    Prof. Morus sah hinaus den wirbelnden Schnee. Er verdeckte jede Fernsicht, es war, als führe das Schiff durch eine wattige Wand.
    »Wie ist das denn möglich, Beißelmann? Wie kommen Sie denn aus Deutschland weg? Ich habe damals nichts mehr tun können. Ich …«
    »Ich weiß, Herr Professor. Ich habe einen neuen Bürgen, der auch die Überfahrt bezahlt.«
    »Wen denn?«
    »Fräulein Marylin Fortyn.«
    »Fortyn? Fortyn? Den Namen kenne ich doch …«
    »Das Mädchen, das mit Doktor Sambaresi verunglückte.«
    »Ach!« Prof. Morus sah Beißelmann verblüfft an. »Und die hat die Bürgschaft übernommen?«
    »Sie oder vielmehr ihr Vater, in Arusha. Ich kann dort im Krankenhaus anfangen, als Chefpfleger.«
    »Gratuliere, Beißelmann.« Morus hob die Schultern, als friere er trotz der warmen Luftheizung. »Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    »Und … und Sie, Herr Professor?«
    »Ich werde ein neues Haus in Sansibar übernehmen. Ein ganz modernes Krankenhaus für dreizehn Komma fünf Millionen Dollar gebaut mit Mitteln der Rockefeller-Stiftung.«
    »Schön, Herr Professor.« Beißelmann sah auf den wirbelnden Schnee. Sein Gesicht arbeitete und zuckte innerlich. »Eigentlich ist Arusha nicht so weit von Sansibar entfernt.«
    »Na, über tausend Kilometer bestimmt.«
    »Mit dem Flugzeug sind es zwei Stunden, Herr Professor.«
    »Mehr nicht, da haben Sie recht.«
    Beißelmann kaute an der Unterlippe. Er trommelte mit den Fingern an die Scheiben der
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