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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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Skippy stirbt Teil 3
GHOSTLAND
    »Denn wo Iren sind, lebt die
Erinnerung. Vergessen wir, ist Irland dahin!«
    Rudyard Kipling
     
    »service: Lächeln,
Effizienz, Zuverlässigkeit, Bereitschaft zur Auskunft über unsere Produkte,
sofortige Betreuung von neuen Gästen, Höflichkeit, Top-Performance.
    Lächeln. Das Lächeln ist Ihr persönliches Aushängeschild.
Es stellt den ersten Kontakt zwischen Gast und Restaurant her und sollte so gut
gepflegt werden wie die Espressomaschine oder die Thekenauslage.
    Effizienz. Das Motto von Ed's Doughnut House lautet: Spitzenqualität
und schneller Service ...«
    Der Junge gibt nicht mal vor zuzuhören; er kaut Kaugummi,
was gleich auf der ersten Seite des Handbuchs für Angestellte untersagt wird,
und starrt zu den oberen Regionen der Küchenwände hinauf, die, wie Lynsey
feststellt, von Fettablagerungen verfärbt sind. Sie macht trotzdem weiter, und
je mehr er seufzt und mit den Schultern zuckt, desto langsamer redet sie, um
ihm klarzumachen, wer hier das Sagen hat.
    »Das sind die absoluten Grundregeln«, schließt sie ihren
Vortrag. »Von jedem Angestellten der Stufe eins wird erwartet, dass er sie
auswendig kennt, bevor er oder sie an Stufe zwei auch nur denken kann. So, und
nun zur Espressomaschine. Mach mir doch mal einen Mochaccino mit fettarmer
Milch.«
    Er setzt sich in Bewegung, schlurfend, finster blickend,
als hätte sie einen halben Liter Blut von ihm gefordert.
    Unter normalen Umständen hätte einer wie Zhang nicht den Hauch
einer Chance, es auf Stufe zwei zu schaffen. Aber das hier sind natürlich keine
normalen Umstände. Wir müssen da sehr vorsichtig vorgehen, Lynsey, hat Senan zu
ihr gesagt. Die Sache hat uns schon genug Scherereien bereitet. Ein
Angestellter, der uns wegen Trauma verklagt, ist das Letzte, was wir brauchen
können. Red mal mit ihm, fühl ihm ein bisschen auf den Zahn. Wenn er vergrätzt
wirkt, würde eine Beförderung ihn vielleicht etwas freundlicher stimmen.
    Na ja, Lynsey weiß nicht so recht, was sie davon halten soll. Okay, Zhang hat eine traumatische Erfahrung
hinter sich, das will sie gar nicht abstreiten. Dass dir während deiner Schicht
einer stirbt, ist echt Pech. Andererseits hat er für eine Beförderung nicht
gerade viel getan, und Tragödie hin oder her, ihrer Meinung nach wäre es total
unfair gegenüber Ruby und allen anderen Mitarbeitern auf Stufe eins, wenn
Zhang befördert wird und sie nicht. Weil, wann ist er schon mal nicht vergrätzt? Er läuft immer so muffelig
durch die Gegend. Aber Senan ist der Bezirksleiter, das heißt, sein Wort ist
Gesetz - außerdem hat er angedeutet, dass auch für Lynsey eine Beförderung drin
sein könnte, wenn sie es je schaffen, aus diesem Schlamassel herauszukommen.
Und wieso sollte das nicht gehen? Was sie in der letzten Woche alles bewältigen
musste, steht nicht mal entfernt in ihrer Jobbeschreibung! Jeden Tag hat die
Geschäftsleitung aus London angerufen und sich nach dem neuesten Stand
erkundigt, die Typen von der Aufsichtsbehörde für Lebensmittelhygiene haben
überall herumgeschnüffelt, aber das Schlimmste waren die Zeitungsfritzen - die
lassen einfach nicht locker. Irgendwer hat mal gesagt, so was wie schlechte
Schlagzeilen gäbe es nicht, na, der Mensch hat ja wohl keine Ahnung von
Cafe-Restaurants!!! Es sei denn, man geht davon aus, dass die Leute Schlange
stehen, um da zu essen, wo jemand gestorben ist!!!
Also hat Lynsey rotiert wie ein Ventilator auf Koks, kaum eine Sekunde
geschlafen, hat sich nach Kräften bemüht, die Anrufe entgegenzunehmen und die
Fragen zu parieren und, wie Senan ihr aufgetragen hat, so behutsam wie nur
möglich natürlich, angesichts der Umstände, und bei allem schuldigen Respekt
gegenüber der Familie, nicht den leisesten Zweifel daran zu lassen, dass der
Tod des betreffenden Jungen, wiewohl tragisch, nicht durch irgendein Produkt von Ed's Doughnut House
verursacht worden oder aufgrund des Verzehrs eines solchen erfolgt ist oder
sonst in irgendeinem Zusammenhang damit steht; vielmehr hat der Junge laut
Polizeibericht in dem Cafe-Restaurant überhaupt nichts zu sich genommen, im
Gegensatz zu seinem kleinen, moppeligen Freund, der ungefähr fünfundzwanzig
Doughnuts vertilgt hat. Die Wörter »Tragödie« und »Kein Zusammenhang« hat sie
in dieser Woche bestimmt fünf Millionen Mal gebraucht - ihr Dad hat ein Album angelegt,
in das er alle Ausschnitte aus Zeitungen und Zeitschriften klebt, in denen sie
vorkommt, zehn insgesamt bisher, wobei in vier
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